Bundeswehr in Afghanistan Deutsche Soldaten wie im Krieg

Berlin (RP). 260.000 Bundeswehr-Soldaten waren bisher im Auslandseinsatz. Sie beklagen, dass ihre Mitbürger wenig davon wissen, was sie dort tun. Vor allem die Afghanistan-Mission ist zuhause unbeliebt –­ und jetzt Schauplatz des größten Kampfeinsatzes.

Merkel ehrt Bundeswehrsoldaten mit Ehrenkreuz
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Berlin (RP). 260.000 Bundeswehr-Soldaten waren bisher im Auslandseinsatz. Sie beklagen, dass ihre Mitbürger wenig davon wissen, was sie dort tun. Vor allem die Afghanistan-Mission ist zuhause unbeliebt —­ und jetzt Schauplatz des größten Kampfeinsatzes.

Wenn Politiker sich nah beim Volk wähnen, dann fällt früher oder später das Wort "Bierzelt". Auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ist ausgezogen, im Bierzelt Stimmung für die Truppe zu machen. Und stets hätten die Menschen ihm hinterher verwundert gesagt, dass sie das alles nicht gewusst hätten.

Dabei kann man sicher sein: Wenn Jung nachts angetippt würde und er "Afghanistan" hörte, würde er ­— weil er es schon so oft gesagt hat ­— ohne wach zu werden, herunterbeten können, wie viele Mädchen wieder zur Schule gehen, wie viele Krankenhäuser wieder funktionieren, wie viele Afghanen wieder studieren und dass die Lage nur in zehn Prozent des Landes "kritisch" sei.

Erstmals "wie Krieg"

Aber die zehn Prozent lassen die Bundeswehr ihren Einsatz "wie Krieg" erleben. Erstmals haben sie nahe Kundus jetzt auch die Schützenpanzer "Marder" und die Artillerie-Geschütze herausgeholt, um in ihrem bislang größten Kampfeinsatz mit 300 Mann eine in dreifacher Bataillonsstärke (900 Mann) eingeleitete afghanische Operation zu unterstützen.

Trotzdem wird es nach Einschätzung von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan mit einer Woche heftigster Gefechte nicht getan sein, die Taliban vollständig aus der Nordregion zu vertreiben: "Unser Problem ist es nicht, Überlegenheit in der Feuerkraft herzustellen, unser Problem ist die Aufklärung: zu wissen, wo sich etwas gegen uns oder die afghanische Bevölkerung zusammenbraut."

Deshalb werden jetzt weitere Drohnen beschafft, mit denen die Bundeswehr auch nachts aus der Luft Vorgänge verfolgen kann. Dennoch weiß inzwischen kein Bundeswehrsoldat mehr, welchen Verlauf seine Patrouille nehmen wird, wenn er das Lager in Kundus verlässt. Überall können nicht mehr nur Sprengfallen lauern. Nun bauen die Taliban Hinterhalte auf und nehmen die Deutschen dann von der Seite mit Panzerfäusten unter Beschuss. Sie nehmen keine Rücksicht auf Verwundete.

Taliban attackieren Rot-Kreuz-Fahrzeuge

Ganz im Gegenteil scheinen die Taliban Fahrzeuge mit dem Roten Kreuz besonders gerne zu attackieren. Und dann die Berichte von Soldaten, die aus Menschenmengen heraus beschossen werden und dann sehen, wie Taliban über die Köpfe von Kindern hinweg feuern. Sind dies die Fakten, die die Bevölkerung daheim sich mehr mit den Auslandseinsätzen identifizieren lässt?

Jung hinterfragt jüngste Umfragen, wonach 61 Prozent für den Abzug aus Afghanistan sind. Die Bevölkerung sei hier widersprüchlich. Denn gleichzeitig wollten 62 Prozent, dass die Nato dort bleibe ­ "aber wir sind doch Teil der Nato!" So bleibt für den Minister, die Klage seiner Soldaten zu unterstreichen. "Wir tun das doch auch für die Sicherheit in Deutschland", hätten die vier Soldaten angemerkt, die sich nahe Kundus in Flammen und Explosionen stürzten, um Kameraden und Kinder zu retten.

Bürger fragen: "Wann geht der Einsatz zuende?"

Seit 15 Jahren ist die Bundeswehr im Auslandseinsatz. 260.000 Soldaten waren in dieser Zeit schon "draußen". Immer mehr Bürger fragen: Wie und wann geht ein Einsatz wie "Afghanistan" auch wieder zu Ende? Jung verweist auf die erfolgreich beendeten Operationen in Mazedonien und im Kongo, sieht die Bundeswehr in Bosnien "in der letzten Reduzierungsstufe". Ermunterung zieht er aus dem Europawahlkampf: Da habe die Linke Stimmung gegen die Einsätze gemacht. Das habe ihr "nichts genutzt". Jung: "Und das war gut so."

(felt/tim)
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