Dreiköpfige Familie Deutsche ins „Piratennest” Somalia entführt

Berlin (RP). Die Fregatte "Emden" kreuzte vor der Küste, als die Deutschen und ihr französischer Kapitän offensichtlich von Seeräubern überfallen wurden. Am Horn von Afrika ist die staatliche Autorität zusammengebrochen, trotz internationaler Militärpräsenz kommt es immer wieder zu Entführungen.

April 2008: Piraten kaperten Luxus-Yacht
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Drei Deutsche und ein Franzose in Puntland. Aus Sicht der Regierung des selbst ernannten autonomen "Staates" im Nordosten Somalias sollten die vier Touristen nur mit allerschönsten Eindrücken wiederkommen. "Puntland ist sicher und gastfreundlich", unterstreicht die "Regierung" auf ihrer Webseite.

Es warteten "weite Strände, saubere Seen, tiefe Wälder, historische Monumente und freundliche Menschen" auf die Gäste. Die deutsche Familie und ihr französischer Kapitän dürfte das kaum erfreuen. Sie sind offensichtlich nicht als Touristen in Puntland. Sondern als Opfer von Piraterie.

Anders als die Puntland-Vertreter sieht das Auswärtige Amt die Lage am Horn von Afrika. "Vor Reisen nach Somalia wird eindringlich gewarnt", sagen die Diplomaten. Sie empfehlen allen Deutschen "dringend, das Land zu verlassen". Jeder gehe hier ein "hohes Sicherheitsrisiko" ein. Ob gesundheitliche oder kriminalitätsbedingte Notlage ­ es fehlten staatliche Stellen, die Hilfe leisten könnten. Denn Somalia ist ein "gefallener" Staat. Nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg gibt es kaum noch staatliche Autorität.

Zwar sind durch Interventionen der Nachbarländer die islamischen "Gerichtshöfe" wieder von der Macht vertrieben worden. Doch die Übergangsregierung steht einem Geflecht von Clans und Milizen gegenüber, denen Ansichten und Absichten der Zentralregierung bestenfalls gleichgültig sind. Erst recht gilt das für die Versuche von Bewegungen im Nordosten und Nordwesten des Landes, in Form von Unabhängigkeit in "Puntland" und "Somaliland" zu mehr innerer Stabilität zu kommen.

"Operation Enduring Freedom"

Die Folge des Zusammenbruchs jeglicher staatlichen Ordnung: blühende Piraterie. Denn Somalia hat eine gut 3300 Kilometer lange Küste, ausgerechnet an einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt, über die der Westen seinen Energienachschub abwickeln lässt. Nach den Attacken auf die USA am 11. September 2001 wurde das Seegebiet mit der Mission "Operation Enduring Freedom" (OEF) unter verschärfte Beobachtung genommen.

Doch die Piraterie nahm trotzdem von Jahr zu Jahr zu. Somalia entwickelte sich zu einem wahren "Piratennest". Vor kurzem ermächtigten die Vereinten Nationen alle Staaten, auch innerhalb der Hoheitsgewässer Somalias Akte von Piraterie zu verfolgen.

Die Bundesmarine ist mittendrin im Geschehen. Als OEF-Einheit kreuzt die Fregatte "Emden" im Seegebiet ­ am Montag, am Tag der Kaperung, war sie sogar, wie das Einsatzführungskommando in Potsdam bestätigte, vor der somalischen Küste. Aber wohl doch ein paar Kilometer zuviel vom Geschehen entfernt. Denn von dem Hijacking bekamen die Bundeswehrsoldaten nichts mit. "Sie wären sonst bestimmt zur Hilfe geeilt", versicherte ein Sprecher.

Nothilfe gehört tatsächlich zum Fähigkeitenspektrum der "Emden". Ihre Ärzte halfen jüngst einem schwer erkrankten Besatzungsmitglied auf einem vorbeifahrenden Tanker. Und auch bei dem Piratenangriff auf einen Öltanker nahm die deutsche Fregatte vor Wochen nach einem Notruf umgehend Kurs auf den Attackierten auf, schickte sogar einen Bordhubschrauber voraus. Doch als der sein Ziel erreichte, hatten die Piraten bereits abgedreht. "Bundeswehr vertreibt Piraten", lauteten die Schlagzeilen.

Doch wenn es um deren direkte Bekämpfung geht, sind den Deutschen die Hände gebunden. Ihr Mandat schreibt vor, sich bei Angriffen zu wehren, erlaubt das Durchsuchen von Schiffen, wenn sich deren Kapitäne damit einverstanden erklären, es erstreckt sich aber vor allem aufs Beobachten. Offizieller Auftrag: "Unterbinden des mit terroristischem Hintergrund verbundenen Transportes von Waffen, Munition und Personen."

(RP)
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