Nach Loveparade-Katastrophe Deutsche Festivals prüfen Sicherheitskonzepte

Scheeßel/Wacken · Nach der Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg mit 19 Toten soll bei Festivals in Deutschland das Sicherheitskonzept überprüft werden. So wollen die Veranstalter des Heavy-Metal-Festivals Wacken Open Air vom 5. bis 7. August noch einmal mögliche Schwachstellen ausloten, sagte Sicherheitschef Thomas Hess am Montag. Auch die anderen großen Massenveranstaltungen in Deutschland haben ihre Konzepte überprüft.

Tragödien bei Großveranstaltungen
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Foto: ddp

Eine ähnliche Katastrophe wie in Duisburg sei in Wacken aber nicht möglich, sagte Hess. Die Veranstaltungsfläche des Open Air sei offen. Die Eingänge könnten als Fluchtwege genutzt, und die das Festival umgrenzenden Bauzäune umgekippt werden.

Die Sicherheitsvorkehrungen seien in den vergangenen Jahren ständig angepasst und überarbeitet worden, sagte Hess. In Wacken seien Sicherheitskräfte, Polizei und Sanitäter ständig in Kontakt. Zudem gebe es auf dem Gelände Videoüberwachung. Der Einlass werde über ein Ampelsystem geregelt. Für die Sicherheit der 75.000 Besucher sorgten knapp 900 Sicherheitskräfte.

Gay Games in Köln

Nach der Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg sehen sich die Organisatoren der am Samstag beginnenden Kölner Gay Games in Sicherheitsfragen gerüstet. "Wir werden jetzt natürlich unsere Sicherheitskonzepte noch einmal sehr kritisch prüfen. Aber ich weiß, dass wir sehr gut aufgestellt sind", erklärte am Montag Michael Lohaus, Ko-Präsident der Großveranstaltung.

Die Gay Games sind nach der Loveparade die nächste größere Massenveranstaltung in Deutschland. Das einwöchige internationale Breitensport-Festival für schwule und lesbische Sportler soll am Samstag von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) eröffnet werden. Erwartet werden 10.000 Teilnehmer und bis zu einer Million Besucher. Diese werden sich allerdings auf 19 Sportstätten in und außerhalb Kölns sowie diverse Veranstaltungsorte für das künstlerische Rahmenprogramm verteilen. Ein großer Teil der Wettbewerbe findet im Sportpark neben dem Kölner RheinEnergieStadion statt.

Besonderes Augenmerk hätten die Veranstalter von Anfang an auf die Lenkung der Besucherströme bei der Eröffnungsfeier in der Arena des 1.FC Köln gelegt, erklärte Lohaus. Dazu werden rund 46.000 Menschen erwartet. Das sei zwar eine große Zahl, diese werde in dem Bundesliga-Stadion aber bei jedem größeren Spiel erreicht.

Die Organisation der Gay Games zusammen mit Stadt, Polizei, Feuerwehr und Sanitätsdiensten habe schon vor Jahren begonnen, erläuterte Lohaus: "Eine Veranstaltung dieser Größenordnung können sie nicht allein planen." Eine Arbeitsgruppe im Kölner Sportamt habe mit verschiedenen Experten unter anderem auch Gefahren durchgespielt und Reaktionsszenarien entwickelt.

Hurricane-Festival gerüstet

Auch die Polizei in Rotenburg will die Sicherheitsmaßnahmen für das Hurricane-Festival in Scheeßel erneut unter die Lupe nehmen. "Das sollte man immer nach solchen Ereignissen machen", sagte der Sprecher der Polizei, Detlev Kaldinski, am Montag auf ddp-Anfrage. Generell werde das Sicherheitskonzept für das Festival, zu dem in diesem Jahr rund 70.000 Besucher kamen, aber ständig überprüft und gegebenenfalls verbessert.

So seien nach dem Unglück auf dem Roskilde-Festival im Jahr 2000 mit neun Toten weitere sogenannte Wellenbrecher zwischen den Zuschauergruppen installiert worden. Auf dem Roskilde-Festival in Dänemark war es am 1. Juli 2000 zu einem Gedränge vor der Bühne gekommen, bei dem neun Menschen erdrückt wurden.

Dortmund: Schlagermove-Festival findet statt

Trotz der Tragödie bei der Loveparade halten die Veranstalter des Schlagermove-Festivals in Dortmund an ihrer Musikparty fest. Das sagte ein Sprecher der Organisatoren am Montag der Nachrichtenagentur DAPD. Das Festival sei deutlich kleiner. Zu der dreitägigen Veranstaltung am letzten Augustwochenende in Dortmund werden insgesamt 30.000 Gäste erwartet. Das Veranstaltungsgelände verkrafte pro Tag jeweils 15.000 Besucher, sagte der Sprecher.

Kommunen wollen Großveranstaltungen besser absichern

Als Konsequenz aus dem Unglück bei der Loveparade in Duisburg will der Deutsche Städte- und Gemeindebund deutschlandweit die Sicherheitsstandards für Großveranstaltungen überprüfen und gegebenenfalls verschärfen. "Es ist ein alter Grundsatz der Gefahrenabwehr, dass man aus jedem Unglück oder Schadenseintritt die notwendigen Schlüsse zieht, um Vergleichbares in der Zukunft auszuschließen", sagte Städtebund-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem "Handelsblatt" (Onlineausgabe).

Landsberg trat zugleich Überlegungen entgegen, angesichts der Duisburger Katastrophe auf Veranstaltungen dieser Größenordnung künftig zu verzichten. "Großveranstaltungen, wie Demonstrationen, Fußballmeisterschaften, Volksfeste oder auch politische Großereignisse, wie beispielsweise der Besuch des damaligen US-Präsidentschaftskandidaten Obama in Berlin oder der Papstbesuch in Köln, gehören zur demokratischen Gesellschaft und können nicht einfach abgeschafft werden", sagte Landsberg. Je nach Ergebnis der Analyse müssten allerdings die Sicherheitsanforderungen und auch die Auswahl der entsprechenden Örtlichkeit noch viel genauer bedacht werden.

Welche Behörden arbeiten bei Massenveranstaltungen?

Massenveranstaltungen mit Hunderttausenden Teilnehmern verlangen schon monatelang im Vorfeld das Zusammenspiel verschiedener Behörden. Das entsprechende Genehmigungs-Prozedere ist in Deutschland von Bundesland zu Bundesland, von Kommune zu Kommune unterschiedlich, wie der Leiter der Rechtsabteilung bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Sascha Braun, am Montag in Berlin der Nachrichtenagentur ddp sagte. "Im Rahmen der Genehmigungsverfahren für eine Veranstaltung wie der Loveparade oder der bundesweit größten Fanmeile in Berlin werden dabei in das Sicherheitskonzept auch die Bedenken beteiligter Behörden mit eingearbeitet, die bei den Vorbereitungen abgestellt werden müssen", erläuterte der Jurist.

Massive Zweifel an dem Veranstaltungskonzept in Duisburg wurden schon lange vor dem Techno-Spektakel laut. So hatten Polizei und Feuerwehr wiederholt auf Sicherheitsbedenken hingewiesen, die nach Medienberichten offenbar auch bei der Organisationsleitung vorgetragen wurden.

An einem Genehmigungsverfahren beteiligt sind Braun zufolge zum Beispiel die Bauaufsicht der Stadt, die entscheidet, auf welchen Wegen die Besucher auf das Veranstaltungsgelände gelangen, welche Fluchtmöglichkeiten bei möglichen Zwischenfällen zur Verfügung stehen, wie die An- und Abfahrtkorridore für Rettungskräfte sind. Zugleich müssten die Räumlichkeiten, ob überdacht oder unter freiem Himmel, entsprechend der erwarteten Besucherzahl betrachtet werden.

Eine wichtige Rolle in dem Verfahren spiele auch die Straßenverkehrsbehörde der jeweiligen Kommune, sagte der GdP-Rechtsexperte. Unter anderem gehe es um die Frage, ob die Straßen und Plätze für die angemeldeten Teilnehmer eines Events ausgelegt sind. Dazu gehöre auch, ob es mögliche Gefahrenpunkte geben könne wie Tunnel. Zudem müsse das Zusammenwirken mit Polizei, Feuerwehr, Rettungskräften wie dem DRK besprochen und abgestimmt werden.

(DDP/felt)
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