Lebensmittelskandal Der Weg des Pferdefleisches nach NRW

Düsseldorf · Das Fleisch wurde quer durch Europa bis nach NRW geliefert. Verbraucherschützer beklagen, dass Gesetzesverstöße in der Branche zu einfach seien. Die Hildener Firma Qiagen entwickelt einen Test gegen den Etikettenschwindel.

Deutsche Supermarktketten reagieren auf Pferdefleisch-Skandal
9 Bilder

Deutsche Supermarktketten reagieren auf Pferdefleisch-Skandal

9 Bilder

In diesen Tagen plagen Verbraucher Sorgen. Wie weit geht der Etikettenschwindel im Supermarkt? Ist es ein Einzelfall, wenn Rindfleisch in einer in Frankreich produzierten Lasagne durch billiges Pferdefleisch aus Rumänien ersetzt wurde? Nach einer Umfrage der Verbraucherzentralen vertrauen nur 18 Prozent der Deutschen den Beschriftungen auf dem Etikett.

Und sie tun gut daran, skeptisch zu sein. Glaubt man den Verbraucherschützern von Foodwatch stammen "Büsumer Flusskrebse" oft aus China, kommt "Sachsenmilch" aus Bayern und "Schwarzwälder Schinken" zumeist aus Niedersachsen — diese Beispiele sind deren Warnliste für Verbrauchertäuschung entnommen.

Foodwatch: Zu wenig Informationen

"Die Verbraucher erhalten zu wenig Informationen über die Herkunft der wichtigsten Zutaten und die Art und Weise, wie die Tiere gehalten wurden, deren Fleisch verwendet wird", sagt Foodwatch-Sprecher Andreas Winkler. Er fürchtet, dass auch diesmal die Verantwortlichen für den Skandal mit glimpflichen Strafen davonkommen werden. In der Lebensmittelbranche gebe es "Anreizstrukturen zum Betrug", so Winkler, häufig seien die Gewinne durch kriminelle Energie deutlich höher als die zu befürchtende Strafe. "Die Wahrscheinlichkeit für Hersteller, dass sie erwischt werden, ist ohnehin sehr gering."

Französische Behörden versuchen, den Weg des Fleisches nach NRW zu verfolgen. Noch ist unklar, wer für den Etikettenschwindel verantwortlich ist: der rumänische Produzent, einer der Zwischenhändler oder der französische Fleischverarbeiter Spanghero. Auf den Produkten, die in NRW aus dem Verkehr gezogen wurden, steht meist kein Herstellungsort, sondern der wenig hilfreiche Hinweis: "Verpackt für...".

Die Vorschriften zur Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln enden, wenn diese verarbeitet werden. Dabei reicht es schon aus, wenn Fleisch gesalzen oder mariniert als Grillfleisch angeboten wird. Auch mit der neuen EU-Lebensmittelverordnung ab 2014 werde sich das durch den Widerstand der Nahrungsmittellobby nicht ändern, klagt die Hamburger Verbraucherzentrale. Gerade tiefgefrorenes Fleisch werde kreuz und quer durch Europa und die Welt geschickt.

"Chicken Nuggets" aus Brasilien

"Ein Großteil des Hähnchenfleisches für Convenience Produkte wie etwa "Chicken Nuggets" kommt aus Brasilien oder Thailand, ohne dass Verbraucher das erkennen können", sagte eine Sprecherin der Hamburger Verbraucherzentrale. Es bedarf nicht viel Fantasie, um dort den nächsten Lebensmittelskandal zu wittern.

Die "Times" berichtete gestern, dass die britische Regierung bereits im vergangenen Sommer vor der vermehrten Einfuhr von billigem und falsch deklariertem Fleisch gewarnt wurde, weil das die einzige Methode sei, die Preise zu halten, nachdem eine Herstellungsverordnung für Hackfleisch geändert worden war.

Das Hildener Unternehmen Qiagen arbeitet bereits seit einigen Wochen an einem DNA-Test für Pferdefleisch. Er basiere auf standardisierten Verfahren und solle binnen zwei bis drei Stunden eine Antwort liefern, ob eine Lebensmittelprobe Pferdefleisch enthalte, sagte ein Sprecher. Ähnliche Produkte gibt es bereits zur Kontrolle auf Spuren von Rind, Schwein, Ziege, Schaf und Truthahn. Es sei erkennbar gewesen, dass der Bedarf nach diesem Test wachsen werde, sagte der Firmensprecher. In Krefeld analysiert das Veterinäruntersuchungsamt seit Mittwoch Lasagne-Proben aus dem ganzen Bundesgebiet.

Remmel fordert Internet-Plattform

Die Verbraucherschützer werfen den Behörden vor, dass diese hätten früher reagieren müssen. Bereits am 30. Januar habe es erste Hinweise auf das Pferdefleisch gegeben. Mittlerweile ist bekannt, dass mehrere Handelsketten fragwürdige Produkte bereits überprüfen ließen, als die Behörden noch nicht reagiert hatten. NRW-Verbraucherminister Johannes Remmel (Grüne) forderte eine zentrale Internet-Plattform, um Verbraucher über verdächtige Produkte, Rückrufaktionen und Pferdefleischfunde zu informieren. Er warf dem Einzelhandel "stille Rückrufaktionen" in den vergangenen Tagen und Wochen vor.

Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, der Skandal zeige, "dass die Billig-Billig-Ideologie wirklich Probleme bereitet". Schon reflexartig machten gestern Branchenvertreter das Sparverhalten der Verbraucher am Lebensmittelregal als eigentliche Ursache des Skandals aus. "Durch die mangelnde Kennzeichnung wissen die Verbraucher noch nicht einmal, warum das gleiche Produkt mal teuer und mal billig ist", gibt Winkler zu bedenken.

Höherer Preis sagt nicht immer was

Auch die Formel höherer Preis gleich bessere Qualität gehe nicht immer auf. Allerdings ist es nicht unüblich, Fertigprodukte mit billigen, manchmal sogar produktfremden Bestandteilen zu strecken. "Nach einer Kennzeichnung können Verbraucher selbst entscheiden, wie viel Geld ihnen welcher Herstellungsprozess wert ist", sagt Winkler.

Dass Pferdefleisch im Verzehr gefährlich sein kann, zeigen die EU-weiten Warnungen in Melderegistern für nicht verkehrsfähige Lebensmittel. Im Jahr 2012 gab es dort 30 Einträge mit Pferdefleisch. Rumänien ist unter Pferdeliebhabern verpönt, weil von dort die "Ansteckende Blutarmut der Einhufer" nach NRW eingeschleppt wurde. Tierärzte berichten, dass Pferde dort günstiger seien als heimische Zucht und deshalb gern gekauft würden.

(RP/csi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort