Der Papst will in Einsamkeit leben Der Rückzug von Benedikt XVI. aus der Welt

Vatikanstadt · "Er geht jetzt gleichsam in ein Gefängnis", sagen Kenner. Nach seinem Amtsverzicht wird Papst Benedikt XVI. in das Kloster "Mater Ecclesiae" ziehen. Dort will er offenbar in Isolation leben und sich vollständig aus dem weltlichen Geschehen zurückziehen. An diesem Donnerstag nahm er mit einer liebevollen Plauderei Abschied von den Geistlichen seines Bistums.

 Im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan bauen derzeit Handwerker einige Räumlichkeiten für Benedikt XVI. um.

Im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan bauen derzeit Handwerker einige Räumlichkeiten für Benedikt XVI. um.

Foto: afp, ANDREAS SOLARO, ANDREAS SOLARO

Es sei für ihn ein "Geschenk", vor seinem Rücktritt noch einmal mit seinem Klerus zusammenzutreffen, sagte er vor rund 5000 Priestern, Diakonen und Ordensleuten in der vatikanischen Audienzhalle.

Zugleich entschuldigte er sich: Aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung habe er keine Rede vorbereiten können. Stattdessen wolle er eine "Plauderei" halten. Benedikt XVI. wirkte müde, sprach jedoch über eine Stunde.

"Auch wenn ich mich zurückziehe, bin ich euch immer im Gebet verbunden und ihr mir, auch wenn ich der Welt verborgen bleibe", sagte der Papst. Nach seinem Amtsverzicht am 28. Februar will er in einem Kloster in den Vatikanischen Gärten leben.

Was das bedeutet, glaubt der emeritierte Regensburger Dogmatiker und Ratzinger-Schüler Wolfgang Beinert zu ahnen: Er geht davon aus, dass sich Benedikt XVI. im Ruhestand nie mehr öffentlich äußern wird. "Joseph Ratzinger geht jetzt gleichsam in ein Gefängnis", sagte Beinert am der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Bestimmt werde er noch weiter schreiben, aus "Klugheit" aber seine kommenden Werke der posthumen Veröffentlichung überlassen.

Für eine Bilanz der Amtszeit von Benedikt XVI. ist es nach Ansicht des Theologen noch zu früh. Ein noch nicht gehobener Schatz seien aber seine Enzykliken, vor allem "Deus caritas est". Der Text enthalte "Sprengpotenzial": "Wenn das explodiert, wird sich etwas ändern." In der Folge könnte dann die Kirche nicht so bleiben, wie sie ist. Momentan aber hätten noch nicht alle dies wahrgenommen.

Mit dem Nachfolger von Benedikt XVI. hat Beinert schon jetzt Mitleid. Denn die Kirche stehe an einem Scheideweg. Wenn sie den seit 200 Jahren gängigen "antimodernistischen, antireformerischen und regressiven Kurs" fortsetze, werde sie weiter an Bedeutung verlieren. Sie könne aber auch den Weg der Reform gehen und von ihren Ursprüngen her einen offenen Dialog mit den geistigen Kräften der Gegenwart führen, so der 79-Jährige. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) habe den Anlauf dazu unternommen. "Er muss aber vollendet werden."

Exakt dieses Zweite Vatikanische Konzil stellte Benedikt in den Mittelpunkt seiner frei gehaltenen Ansprache und rief zu einer "wirklichen Erneuerung" der katholischen Kirche auf. Das Konzil habe wichtige und unaufgebbare Erneuerungen für die Liturgie und den gemeinsamen Glauben gebracht. In diese Richtung gelte es "mit Vertrauen" weiterzugehen, so der Papst.

In seinem frei gehaltenen Vortrag zeigte sich der Papst erzählfreudig. Unter anderem erinnerte er an die Anekdote, wie er als junger Bonner Theologieprofessor 1961 einen Vortrag für den Kölner Kardinal Josef Frings schreiben musste und dieser anschließend zu Papst Johannes XXIII. einbestellt wurde. Frings habe damals befürchtet, seinen Titel entzogen zu bekommen; stattdessen habe der Papst ihm zu dem gelungenen Aufsatz gratuliert. Benedikts XVI. Hörer antworteten auf die Erzählung mit freundlichem Lachen.

Nach seinem Amtsverzicht am 28. Februar will sich Benedikt XVI. Zum Gebet in das Kloster des Vatikan zurückziehen, die "Mater Ecclesiae", "Mutter der Kirche". Das Kloster liegt praktisch inmitten der Vatikanischen Gärten und doch in einem ruhigen Winkel.

1992 bauten die Technischen Dienste des Vatikan das ehemalige Gärtnerhaus um: eine nüchterne Fassade aus braunen Ziegeln und weißen Travertinbändern, ein flacher Giebel über der Kapelle, den ein Aufsatz mit Glocke krönt. Eine Loggia gestattet ein paar geschützte Schritte auch bei Regen, und eine Hecke schirmt vor Blicken ab. Italienische Zweckarchitektur, unaufregend, aber angemessen für eine Einsiedelei.

Seit dem Winter sind wieder Handwerker zugange, um das Haus mit seinen zwölf Klosterzellen und 450 Quadratmetern Nutzfläche zum Alterssitz des Ratzinger-Papstes umzugestalten. Krankenzimmer, Vorratsraum, eine große Küche, Speisesaal, Büro und Archivraum bestanden bereits. Ob es ein Klavierzimmer oder einen Fitnessraum geben wird; was für eine Bibliothek sich der frühere Theologieprofessor wünscht; inwieweit die Wohnung senioren- und behindertengerecht mit Aufzug und breiten Türen ausgestattet wird - darüber liegt noch der Schleier der Diskretion.

(KNA/pst/das/felt)
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