So war der „Polizeiruf“ aus Magdeburg Von allem zu viel ist viel zu wenig

Magdeburg · „Hexen brennen“ lautete der passende Name des Sonntagabendkrimis aus Magdeburg. Was spannend und gruselig beginnt, versandet leider bald in ästhetischer Beliebigkeit. Da kann selbst das tolle Ensemble nicht helfen.

 Die Mitglieder des Frauenzirkels sorgen bei den Männern von Thalrode für Unbehagen.

Die Mitglieder des Frauenzirkels sorgen bei den Männern von Thalrode für Unbehagen.

Foto: MDR/filmpool fiction/Conny Klein

Darum ging es: Am Morgen nach Halloween wird die verkohlte Leiche einer jungen Frau gefunden. Wie sich herausstellt starb Tanja Edler, Tochter einer Hotelbesitzerin im Ort Thalrode am Fuße des Brockens, nicht in den Flammen eines der sogenannten Hexenfeuer, die überall von den Feiernden entzündet worden waren: Sie wurde zu Tode gefoltert - mit mittelalterlichen Inquisitionswerkzeugen.

An Hexen glaubt Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen), die mit der Aufklärung des Falls betraut ist, natürlich nicht. Aber „ich glaube an jemanden, der an Hexen glaubt“, oder doch zumindest glaubt sie an jemanden, für den die Frau die Verkörperung des Bösen ist. Denn spätestens, als auch Dorfärztin Peggy Sasse (Yvonne Johna) auf die gleiche Weise wie Tanja Edler getötet wird, ist sich Brasch sicher, dass da ein Mörder am Werk ist, der aus purem Hass und mangelndem Selbstwertgefühl Frauen tötet; einer, der nicht zurechtkommt mit der neuen Zeit, in der Emanzipation und Feminismus drohen, den patriarchalen Traditionsmief in Thalrode abzulösen. Schließlich war Sasse Mitglied in dem gleichen ominösen Frauenzirkel, dem auch Edler angehörte.

Aber kann das wirklich Motiv genug sein? Schließlich gibt es in dem malerischen Städtchen genügend Gestalten, die ganz persönliche Gründe hatten, den Frauen nach dem Leben zu trachten. Paul Kopp (Helgi Schmid), der undurchsichtige Inhaber des „Hexenladens“, hatte ein Verhältnis mit Tanja Edler; die daraus entstandene Schwangerschaft ließ Edler beenden – durch einen Eingriff bei Peggy Sasse.

Tanjas Halbbruder Reiko Edler (Pit Bukowski) wiederum kämpfte sein Leben lang um die Zuneigung seiner Mutter, die aber stets seine Schwester vorzog und ihr auch das Hotel vererben wollte.

Und Dorfarzt Hans Petersen (Michael Schweighöfer) kommt – ganz Klischee des alten weißen Mannes – zwar mit dem erstarkenden weiblichen Selbstbewusstsein um ihn herum nicht zurecht; Ärztin Peggy Sasse aber war für ihn aber vor allem handfeste Konkurrenz, schließlich war ihr Wartezimmer immer voll, während ihm die Patienten davonliefen. Ohnehin ist Petersen ein Leberwurst kauendes Bilderbuch-Ekel: Ein Sexist und Säufer, dessen Verachtung für das weibliche Geschlecht auch vor seiner eigenen Frau (Birgit Berthold) nicht haltmacht. Indes: Dass er ohne seine Doris tatsächlich verloren ist, ahnt der Zuschauer nicht erst, als diese endlich den Mut fasst, ihn zu verlassen.

Darum ging es wirklich: Gute Frage. Die Lösung des Falls kommt am Ende vergleichsweise profan daher: Reiko Edler ist der Täter – wenngleich er die Morde nicht selbst ausgeführt hat. Dafür beauftragte er den alten Georg Kopp (Hermann Beyer), Pauls Vater, der tatsächlich an Hexen glaubt, und dem Reiko nur entsprechende „Zeichen“ hinterlassen muss, damit Kopp auf Hexenjagd geht. Doch die Auflösung ist am Ende leider auch irgendwie egal, zumal die Logik dabei auf der Strecke bleibt. Dabei ist das vergiftete Verhältnis zwischen Reiko Edler und seiner Mutter grausig genug – es hätte den gesamten Film tragen können. Zumal Pit Bukowski und vor allem Gabriela Maria Schmeide die Hassliebe zwischen Mutter und Sohn so überzeugend spielen, dass es einem kalt den Rücken herunterläuft. So aber ist man am Ende des Films hauptsächlich erschöpft von dieser schwerfälligen Geisterbahnfahrt, die zwar schöne Aussichten, aber kein echtes Krimivergnügen bieten konnte.

Fazit: Dieser Film hätte richtig gut werden können - wäre der toxischen Mutter-Sohn-Beziehung mehr Aufmerksamkeit geschenkt worden. Stattdessen versuchen Regisseurin Ute Wieland und Autor Wolfgang Stauch aus „Hexen brennen“ einfach alles rauszuholen; und es wird bis zum Ende nicht klar, was dieser „Polizeiruf“ eigentlich sein will. Familiendrama? Ost-West-Studie? Gruselfilm? In dem Krimi stecken viel Mühe, tolle Schauspieler und Schauspielerinnen und eine geradezu mystische Bildsprache. Aber leider auch: Hölzerne Dialoge, unfertige Figuren, Handlungsstränge, die im Nichts enden, und übertriebene Symbolik. Das ist von allem zu viel und damit am Ende zu wenig.

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