Bauskandale Der Milliardenpfusch

Düsseldorf (RP). In keiner anderen Branche wird so viel geschmiert und gepfuscht wie in der Bauindustrie. Das kostet den Staat Milliarden, es bedroht viele Arbeitsplätze – und auch private Bauherren sind laufend Opfer.

Das Netz spottet über den Kölner U-Bahn-Pfusch
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Düsseldorf (RP). In keiner anderen Branche wird so viel geschmiert und gepfuscht wie in der Bauindustrie. Das kostet den Staat Milliarden, es bedroht viele Arbeitsplätze — und auch private Bauherren sind laufend Opfer.

So schnell zerstören Skandale Karrieren: Eine Stunde lang erklärte gestern Nachmittag Bilfinger-Chef Herbert Bodner, wie der Baukonzern die Missstände beim Kölner U-Bahn-Bau sowie weitere vermutete Skandale aufklären wolle. Zähneknirschend gab er zu, Bilfinger habe sich viel zu spät öffentlich zu der Affäre erklärt. Dann bestätigte er um 16.24 Uhr fast schon lapidar, die Suche nach einem Nachfolger für ihn habe schon begonnen: "Ich bin doch schon 62 Jahre alt. Da kann ich ruhig 2011 ganz regulär gehen."

Sein Abgang bestätigt, wie hart das Geschäft in der wohl umstrittensten deutschen Branche ist. In keiner Branche gibt es mehr Skandale als in der Bauindustrie. In keinem anderen Geschäft wird mehr geschmiert. Und wohl bei keiner anderen Geldausgabe fühlen sich am Ende so viele Menschen mehr betrogen, als wenn sie ein Haus gebaut oder gekauft haben. "Bauvorhaben sind für die meisten Menschen die größte Investition in die Zukunft", sagt der Mülheimer Architekt Christof Laue "am Ende kann es dann bei schlechter Planung und mangelnder Qualitätskontrolle die größte Enttäuschung ihres Lebens sein."

Untersuchungen von Bundeskriminalamt (BKA), der Dekra sowie von Versicherungen zeigen, mit welchen Methoden rund um Baukran und Betonmischer gearbeitet wird.

Jedes Jahr verschwinden Maschinen für mehrere hundert Millionen Euro von deutschen Baustellen, schätzt der Industrieversicherer HDI aus Hannover. Oft sind es Auftragdiebstähle. Bagger oder Schlepplader wandern ins Ausland — wo auch viele illegale Bautruppen herkommen. Und natürlich wird auch massenhaft Material verschoben oder verhökert — so wie offensichtlich Stahlgestänge beim Bau der Kölner U-Bahn. "Da hat der Polier vielleicht die Kaffeekasse mit aufgefüllt", sagte Bilfinger-Manager Bodner gestern beschönigend vor den Medien — die Kölner Staatsanwaltschaft spricht korrekterweise von vermutetem Diebstahl von Material.

Wie hoch der Schaden durch kriminelle Machenschaften am Bau ist, lässt sich nur schätzen. Auf rund fünf Milliarden Euro kam das BKA bei einer Untersuchung. Alleine jede fünfte aufgeflogene Straftat wegen Korruption in Deutschland entfällt auf Bauaufträge, hat das BKA ausgerechnet. In anderen Worten: Kein anderer Wirtschaftsbereich ist so korrupt. "Die kriminelle Energie auf den Baustellen hat zugenommen", bestätigt denn auch Klaus Wiesehügel, Chef der Gewerkschaft IG Bau.

Vorrangig der Druck durch Billigkonkurrenz aus Osteuropa sowie durch Auftraggeber, die nur auf den Preis achten, würden das Qualitätsniveau senken. Und in Köln wurde offensichtlich fast überhaupt nicht kontrolliert, ob Vorgaben eingehalten wurden. "Wenn 80 Prozent einer Sorte von Eisen verschwinden", sagt Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer Bau in NRW, "kann eine Überwachung nicht befürchtet worden sein."

Indirekt gibt Bilfinger-Chef Bodner die Mängel zu. Er kündigte gestern an, ein neues Qualitätssicherungssystem aufzubauen — will aber den Bau der Kölner und der Düsseldorfer U-Bahn fortführen.

(RP)
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