Interview "Der Ku-Klux-Klan ist auch ein deutsches Problem"

Düsseldorf · Mordversuche, Kreuzverbrennungen und Verbindungen zum NSU – der Ku-Klux-Klan ist auch in Deutschland aktiv. Das beschreibt der Journalist Tanjev Schultz zusammen mit Frederik Obermaier in dem Buch "Kapuzenmänner". Wie groß ist die Gefahr wirklich?

 Mitglieder des Berliner Klans um Peter B.

Mitglieder des Berliner Klans um Peter B.

Foto: Privatarchiv der Autoren

Mordversuche, Kreuzverbrennungen und Verbindungen zum NSU — der Ku-Klux-Klan ist auch in Deutschland aktiv. Das beschreibt der Journalist Tanjev Schultz zusammen mit Frederik Obermaier in dem Buch "Kapuzenmänner". Wie groß ist die Gefahr wirklich?

 Tanjev Schultz warnt: "Der Ku-Klux-Klan in Deutschland wird unterschätzt."

Tanjev Schultz warnt: "Der Ku-Klux-Klan in Deutschland wird unterschätzt."

Foto: Jakob Berr

Der Ku-Klux-Klan ist zwar seit den 1860ern vor allem ein amerikanisches Phänomen, doch immer wieder machten und machen auch in Deutschland Gruppen auf sich aufmerksam. Schon in der Weimarer Republik lässt sich die Existenz des rassistischen Klans nachweisen. Doch während die Vereinigung in den USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sogar mal eine Massenbewegung war und dort nach aktuellen Schätzungen noch immer ein paar Tausend Mitglieder hat, ist unklar, wie viele Anhänger sie in Deutschland hat.

Das war eine der Schwierigkeiten, die sich den Journalisten Tanjev Schultz und Frederik Obermaier für ihre Recherchen zum Buch "Kapuzenmänner — der Ku-Klux-Klan in Deutschland" stellte: Wie groß ist diese Gruppe in Deutschland überhaupt und welche Gefahr geht von ihr aus?

Mir war nicht bewusst, dass der Ku-Klux-Klan auch hierzulande aktiv ist. Warum haben wir darüber bisher so wenig gelesen?

Tanjev Schultz Das hat uns auch überrascht. Es gibt eine fast hundertjährige Geschichte des Klans in Deutschland. In Wellen haben die Medien zwar berichtet, dann aber verlor sich das Interesse wieder. In den 90ern gab es einen spektakulären Fall mit gefälschten Klan-Szenen im Fernsehen. Das hat dazu geführt, dass viele erst mal die Finger von dem Thema gelassen haben. Hinzu kommt, dass der Klan schwer zu recherchieren ist, weil er geheim agiert. Und seine Bedeutung hierzulande ist im Vergleich zu den USA nicht so offensichtlich. Die Gruppen sind kleiner, manche verschwinden nach einer Weile.

Ist der Ku-Klux-Klan in Deutschland verboten?

Schultz Nein. Es gibt ja zumeist auch keine Vereinsadresse, oft sind die Strukturen schwer einsehbar. Das Tragen eines Klan-Kostüms ist grundsätzlich erlaubt.

Hat das fehlende Verbot auch damit zu tun, dass der Klan in Deutschland bisher nicht auffällig genug agiert?

Schultz Das kann ein Grund sein. Aber die Behörden sind oft auch nicht konsequent genug gegen die Rassisten vorgegangen. Anfang der 90er hat der Generalbundesanwalt, der für den Kampf gegen Terrorgruppen zuständig ist, ein Verfahren eingeleitet. Die Bundesanwälte sind aber zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine Strukturen gebe, die sie anklagen könnten. Daran haben wir nach unseren Recherchen Zweifel.

Der Klan taucht seit der Weimarer Republik regelmäßig in Deutschland auf, verstärkt wieder seit Anfang der 90er. Damals hätte ein Klanmitglied in Brandenburg beinahe den Tod eines Nigerianers zu verantworten gehabt.

Schultz Ohne das Eingreifen von Zeugen wäre der nigerianische Lehrer ums Leben gekommen. Das Gericht befand, dass das Klanmitglied Carsten Szczepanski und der Mob, angetrieben durch rhythmisches Rufen von Ku-Klux-Klan-Slogans, sich das Opfer aus rassistischen Motiven ausgesucht hatten. Szczepanski war schon vorher aufgefallen, als er auf einer Lichtung in Anwesenheit des US-Klanführers Dennis Mahon eine Kreuzverbrennung inszeniert hatte, begleitet von einem Kamerateam von RTL. Ein Klanbruder von Szczepanski hat einen Obdachlosen in Berlin so stark verletzt, dass dieser später starb. Die Strafverfolgungsbehörden haben keine direkte Verbindung zum Klan gezogen. Wir sehen das anders.

Wie will ein Gericht beweisen, dass der Klan für die Taten einzelner Mitglieder verantwortlich ist?

Schultz Das ist ein Problem. Dazu kommt, dass der Klan in Deutschland unterschätzt wird. Das ist zwar insofern verständlich, weil es bei uns nicht wie in den USA dieses Ausmaß an Prozessionen mit Kapuzenträgern gab und es sich mitunter — überspitzt gesagt — um verkleidete Alkoholiker handelte. Aber wir sehen an den Reichsbürgern, dass auch kleine Gruppen von vermeintlichen Spinnern gefährlich sein können.

Das kommt auch im Buch immer wieder durch: Es ist unklar, wie ernst man diese Klanmitglieder nehmen muss.

Schultz Das hat uns bei den Recherchen ständig begleitet. Einerseits der Eindruck, dass das teilweise Spinner und Geschäftemacher sind, die versuchen, Kapuzen und Aufkleber zu verkaufen. Andererseits das Ergebnis, dass sich der Klankult seit Jahrzehnten durch die rechte Szene zieht. Manche Anhänger sind nur Maulhelden, andere wirklich gefährlich.

Wie hat der Klan denn in den vergangenen Jahren auf sich aufmerksam gemacht?

Schultz Es gibt Internetseiten, es gibt Treffen, mal mit, mal ohne Außenwirkung. Es gab immer mal wieder Kreuzverbrennungen, es gab Übergriffe auf vermeintlich Fremde, und Leute marschierten in Klankutten vor einem Flüchtlingsheim auf. Die Liste reicht bis in die Gegenwart. Die Bundesregierung schätzt, dass derzeit vier Klangruppen existieren. Welche Gefahr von ihnen im Einzelnen ausgeht, ist schwer zu sagen.

Was sind das für Leute, die zum Ku-Klux-Klan gehören?

Schultz Typischerweise sind es Menschen, die zuvor schon zur rechtsextremen Szene gehörten. Das war bei Szczepanski der Fall, das war in Baden-Württemberg so, wo jemand aus der NPD kam und einen Klan gegründet hat. In der früheren Geschichte waren es Amerikaner, die in Deutschland aktiv wurden, GIs, ein deutsch-amerikanischer Pfarrer. Manchmal gibt es Leute, die vorher mit der rechten Szene nichts zu tun hatten, aber über Flyer oder das Internet aufmerksam wurden und fasziniert sind von diesem Geheimnisvollen. Und es waren auch mindestens zwei deutsche Polizisten Klanmitglied. Sie wollen angeblich nicht erkannt haben, dass es sich um eine rassistische Vereinigung handelt — was höchst unglaubwürdig ist.

Dann gibt es Leute wie Peter B., der einen Berliner Klan führte. Er scheint ein echter Tyrann gewesen zu sein.

Schultz Der auch nicht daran sparte, ausfällig gegenüber einer Richterin zu werden. Er ist wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Als ich versuchte, mit ihm zu reden, war er wenig gesprächsbereit, um es vorsichtig zu sagen. Ein Mann, der Aussteigern böse gedroht hat und sich im internen Schriftverkehr sehr rüde gegenüber den eigenen Mitgliedern geäußert hat. Das trug despotische Züge.

Und ein Geschäftemacher war er auch. Er hat versucht, Kutten und den so genannten Kloran zu überteuerten Preisen zu verkaufen.

Schultz Genau, dieses Heiligenbuch des Klans, in denen die Rituale beschrieben werden. Leider fallen immer wieder Menschen auf so etwas herein.

Was haben Sie über das Weltbild der Klanmitglieder herausgefunden?

Schultz Rassismus spielt die tragende Rolle. Dazu kommt eine pseudo-christliche Ideologie, die mal mehr, mal weniger in den Vordergrund rückt. In den USA hat der Klan traditionell eine antikatholische Schlagseite und verortet sich im protestantischen Fundamentalismus. Aus unserer Sicht handelt es sich um eine fanatische, rassistische Sekte.

Der Ku-Klux-Klan hat Verbindungen zum NSU. Die sind allerdings sehr vage.

Schultz Es ist gar nicht so leicht, das auf den Punkt zu bringen. Erstens: Beate Zschäpe und ihre Freunde haben Mitte der 90er Jahre, das zeigen Fotos und Zeugenaussagen, vor brennenden Kreuzen Partys gefeiert. Dazu gehörten unter anderem der NSU-Terrorist Uwe Böhnhardt, aber auch Ralf Wohlleben, der jetzt vor Gericht steht als mutmaßlicher NSU-Unterstützer. Zschäpe sprach gegenüber der Polizei von normalen Feten. Dass das Ganze aber mit der Klansymbolik spielte, ist offensichtlich. Es gab zweitens Kontakte zwischen dem NSU-Terroristen Uwe Mundlos und einem Klanmitglied namens Thomas Richter, vielleicht flüchtig, vielleicht intensiver. Drittens: Ein ehemaliges Klanmitglied aus Baden-Württemberg, ein Polizist, war ein Vorgesetzter der Beamtin Michèle Kiesewetter, die 2007 vom NSU ermordet wurde. Diese Verbindung kann reiner Zufall gewesen sein, dafür spricht sogar viel. Wir wollen keine Verschwörungstheorien verbreiten. Es ist schon so erschreckend genug, wo man überall auf Spuren des Klans stößt. Und eins ist sicher: Der NSU kommt aus einer Szene, die fasziniert ist vom Klan.

Die Grenzen zwischen Realität und Verschwörungstheorie scheinen fließend.

Schultz Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, dass dieses Land im Griff des Ku-Klux-Klans sei, wie es eine Naziband mal gesungen hat. Das ist Quatsch. Es gibt nicht den einen übermächtigen Klanverband. Die Kapuzenmänner beherrschen auch nicht die gesamte rechte Szene. Doch es ist schockierend genug, dass sie immer wieder in Erscheinung treten. Der Klan ist nicht nur ein US-Problem. Er ist auch ein deutsches Problem.

Als ob das Ganze nicht schon kompliziert genug wäre, spielt auch der Verfassungsschutz eine Rolle. Denn der beschäftigte mehrere V-Männer in der rechten Szene, die auch zum Ku-Klux-Klan gehörten.

Schultz Der Verfassungsschutz spielte eine, höflich gesagt, sehr unglückliche Rolle. Szczepanski wurde angeworben, nachdem er wegen des Mordversuchs verurteilt worden war. Unserer Ansicht nach hätte er niemals V-Mann werden dürfen. Der Verfassungsschutz hat den Klan zwar nicht gegründet, sich aber immer wieder auf zweifelhafte Weise mit Kapuzenmännern eingelassen. So war es auch bei einem Klan-Mann in Baden-Württemberg. Erst als der seine eigene Gruppe gründete und endgültig aus dem Ruder lief, hat sich der Verfassungsschutz von ihm gelöst.

Um dann gleich ein anderes Mitglied aus der Klangruppe als V-Mann zu beschäftigen.

Schultz Das war in diesem Fall der Bundes- und nicht der Landesverfassungsschutz. Dieser V-Mann namens "Corelli" spielte ebenfalls eine dubiose Rolle. Er hat zwar dazu beigetragen, die Klangruppe zu zerschlagen, indem er über sie berichtet hat. Gleichzeitig hat er aber beispielsweise Geld dafür bekommen, in die USA zum Klan zu fliegen und sich im Klan zu tummeln. Sobald sich der Geheimdienst auf so etwas einlässt, wird er Teil des Problems.

Dieses Problem gibt es ja bei V-Männern immer.

Schultz Ja, es sind Leute, die selten loyal gegenüber dem Staat sind, sondern vor allem am Geld interessiert. Die bleiben häufig Teil der Szene, die bekämpft werden soll.

Bei Szczepanski legen Sie im Buch sogar nahe, dass der Verfassungsschutz ihn vom Absprung aus der Szene abgehalten hat.

Schultz So war es bei ihm, so war es auch bei Corelli. Er war noch ein junger Mann, als er zur Polizei ging, weil seine rechten Kameraden ihn enttäuscht hatten. Die Polizei reichte ihn weiter zum Verfassungsschutz. Und anstatt so jemanden auf den richtigen Weg zu bringen, schickt der Verfassungsschutz ihn immer tiefer in den braunen Sumpf hinein.

Corelli verstarb später unter noch nicht ganz geklärten Umständen. Haben Sie sich bei den Recherchen nicht ständig gefragt, was da noch so im Verborgenen schlummert?

Schultz Wir wissen nicht, was wir nicht sehen. Das ist aber die Grenze, die man ziehen muss, um sich vor Spekulationen zu schützen und nicht in Verschwörungsfantasien abzudriften.

Mit Tanjev Schultz sprach Sebastian Dalkowski.

Das Buch "Kapuzenmänner: Der Ku-Klux-Klan in Deutschland" ist soeben erschienen (dtv, 260 Seiten, 16,90 Euro). Tanjev Schultz (42) war mehr als zehn Jahre Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung und berichtete dort unter anderem über das Thema Innere Sicherheit. 2016 trat er eine Professur am Journalistischen Seminar der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz an.

(seda)
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