Bürgerentscheid um Namen hat begonnen Der Hindenburgplatz spaltet Münster

Münster · In Münster hat am Sonntagmorgen ein Bürgerentscheid über den Namen des größten Platzes der westfälischen Stadt begonnen. Eine Bürgerinitiative will, dass der Platz vor dem Schloss seinen alten Namen Hindenburgplatz zurückbekommt.

Wie soll er nun künftig heißen? Die Bürger müssen entscheiden.

Foto: dpa, Rolf Vennenbernd

Der Stadtrat hatte im März mit klarer Mehrheit beschlossen, dass der Platz nicht mehr den Namen des umstrittenen Reichspräsidenten der Weimarer Republik tragen soll. Hindenburg hatte im Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Gegen die Umbenennung bildete sich eine Initiative, die den Bürgerentscheid durchsetzte. Sie will die Rückbenennung in Hindenburgplatz erreichen. Eine Gegen-Initiative setzt sich für den Namen Schlossplatz ein. Bei der Abstimmung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn sie mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten beträgt.

Die "zweitgrößte innerstädtische Freifläche Europas", so preist das Stadtmarketing in Münster den Platz vor dem Schloss an. Wenn nicht gerade Kirmes ist, bestaunen Touristen einen großen, lieblosen Parkplatz vor beeindruckender Schlosskulisse. Auf den ersten Blick nicht gerade ein Plätzchen, um das man streiten müsste. Doch genau das passiert gerade in Münster. Der Platz vor dem Schloss ist zu einem "Streit-Platz" geworden.

Überraschend schnell gelang es der Bürgerinitiative "Pro Hindenburgplatz", genug Unterschriften für einen Bürgentscheid zu sammeln. Beinahe genau so schnell gründete sich die Gegeninitiative "Schlossplatz". Zwei Bürgerinitiativen, die kräftig plakatieren und mobilisieren - dazwischen der ehemalige Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847-1934) - im eher verschlafenen Münster bietet das Sprengstoff.

Extreme Parolen

Denn längst hat sich die Debatte um ein Fleckchen Erde in Münster verselbstständigt, das Thema ist im Wortsinn zu einem Allgemeinplatz geworden. Kurz vor dem Bürgerentscheid waren links- und rechtspopulistische, aber auch extreme Parolen immer lauter geworden. Besonders im Internet gibt es Beschimpfungen und Drohungen.

"Mich irritiert, dass in einer Stadt, wo so Leitbegriffe wie Toleranz, Dialog und Frieden eine große Rolle spielen, die Auseinandersetzung solche Formen angenommen hat", sagt Hans-Ulrich Thamer. Für den Historiker der Uni Münster hat der Konflikt zwei Aspekte: "Wie beurteilen wir heute die historische Figur Hindenburg und wie geht eine Gesellschaft unter bestimmten kulturellen Prämissen damit um?" Aus historischer Sicht sei Hindenburg eindeutig der "Steigbügelhalter Hitlers" gewesen, da gebe es wenig Raum für Streit. Deshalb sei es nur folgerichtig, ihm kein Denkmal zu setzen, sagt Hans-Ulrich Thamer: "Straßennamen sind immer Ehrung und Denkmal."

Die beiden Bürgerinitiativen gehen ebenfalls auf Distanz zu den Krawallmachern. "Ausschlaggebend war von Anfang an, dass wir glauben, der Name Schlossplatz ist nicht im Sinne der Münsteraner", sagt Stefan Leschniok. Dem Sprecher der Initiative "Pro Hindenburgplatz" merkt man an, wie sehr er die unsachliche Diskussion bedauert. Mit Argumenten wie "Erinnerungskultur" und "Heimatgefühl" hatte seine Initiative gepunktet, mittlerweile hat die Initiative "Schlossplatz" aufgeholt. "Wir wollten inhaltlich dagegen halten", sagt deren Sprecher Michael Bieber, "denn die Demokratie mit Hindenburg zu stärken ist, wie mit Schnaps den Alkoholismus zu bekämpfen." Beide sind froh, dass der Streit bald entschieden wird.

Das Interesse an der Wahl ist groß. "Erstaunlich hoch für einen Bürgerentscheid", sagt der Leiter des Wahlamtes Martin Gudorf. Demnach haben bereits etwa 38.000 Bürger ihre Stimme per Briefwahl abgegeben, rund 238.000 Menschen sind wahlberechtigt. So manchen Münsteraner ermüdet die Debatte aber auch. "Wir gehen alle nicht zur Wahl", sagt einer aus einer Gruppe von fünf Studenten, die vor der Uni am Schlossplatz stehen, "aus Protest gegen das ganze Theater."

(lnw)