Kraftprobe zwischen Polizei und Demonstranten Der Castor erreicht Region Lüneburg

Lüneburg · Begleitet von mehreren Protestaktionen in den vergangenen Tagen, wird der Castor-Transport am Samstag im Wendland erwartet. Am Morgen passierte er die Grenze zu Niedersachsen. Nun hat er die Region Lüneburg mit dem Zwischenlager Gorleben im Landkreis Lüchow-Dannenberg erreicht. Umweltschützer planen dort eine Großkundgebung. Derweil hagelt es Kritik von der CDU an den Grünen.

Die Protestaktionen gegen den Castor-Transport
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CDU-Generalsekretär Herrmann Gröhe kritisierte die Partei wegen ihrer unterstützenden Haltung zu den Protesten. "Die Spitze der Partei organsiert Fahrten zu den Transporten als eine Art After-Show-Party des Parteitags. Das ist Folklore auf dem Rücken der Polizisten", sagte Gröhe unserer Redaktion. Das Verhalten der Grünen-Spitze sei "unverantwortlich". Durch die Aktion der Grünen werde die Stimmung "unnötig weiter angeheizt", betonte Gröhe.

In Danneberg sollen die elf Atommüll-Behälter aus dem französischen La Hague auf Tieflader umgehoben und ins etwa 20 Kilometer entfernte Zwischenlager Gorleben transportiert werden. Unklar blieb zunächst, ob die Behälter noch am Wochenende verladen werden können, da sich in Norddeutschland ein Sturmtief angekündigte. Die Veranstalter der zentralen Proteste gegen den Castor-Transport in Dannenberg rechnen mit bis zu 20.000 Teilnehmern.

Am Samstagmorgen gegen sieben Uhr hatte der Zug bei Hannoversch-Münden die Landesgrenze von Hessen nach Niedersachsen passiert und war dann bei Friedland durch Blockierer auf den Gleisen erneut zum Stillstand gekommen. Wie bei Friedland hatten Atomkraft-Gegner schon zuvor den Zug auf seiner am Mittwochnachmittag in Frankreich begonnenen Fahrt mehrfach zum Stopp gezwungen, teilweise für mehrere Stunden.

Polizei und Demonstranten liefern sich Kraftprobe

Im niedersächsischen Wendland kam es am Freitag bei der Ortschaft Metzingen bereits in der zweiten Nacht in Folge zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und Polizisten. Rettungssanitäter berichteten von mehreren Verletzten.

Wie ein Reporter beobachtete, umstellte die Polizei dort am Freitagabend ein für autonome Anti-Castor-Aktivisten bekanntes Camp. Die Aktivisten warfen Flaschen, Steine und auch Holzpfähle auf die Beamten. Die Polizisten setzten Wasserwerfer ein. Am Freitagnachmittag waren in Göhrde, etwa 35 Kilometer nordwestlich von Gorleben, zwei Polizeiwagen in Brand gesteckt worden.

Bei den Ausschreitungen am Abend zuvor waren nach Polizeiangaben acht Beamte verletzt und vier Aktivisten festgenommen worden. Auch Demonstranten wurden verletzt. Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg rief daraufhin zu "friedlichen Protesten" auf.

Trotz des massiven Polizeiaufgebots entlang der Strecke gelang es einem Umweltschützer in der Pfalz am Freitagabend, auf den Zug zu steigen. Der Aktivist kletterte bei Haßloch auf einen Waggon, wie ein Fotograf berichtete. Dabei hielt er ein Transparent mit dem Logo der Anti-Atomkraft-Bewegung hoch. Beim Anrücken der Polizei flüchtete der Mann über ein Feld und entkam, wie ein Polizeisprecher bestätigte.

Winde der Stärke acht/neun erwartet

Die Gegner der Atomkraft hielten den Castor-Transport in Rheinland-Pfalz mit verschiedenen Aktionen auf. Entlang der Strecke versuchten sie immer wieder, an die Gleise zu gelangen und diese zu blockieren. In und rund um Haßloch holten die Einsatzkräfte mehrfach Castor-Gegner von der gesperrten Strecke.

Auch in Hessen kam es zu Protesten entlang der Route des Atommüll-Transports. In Darmstadt musste der Zug kurz stoppen, als Aktivisten Gleise besetzten. Im osthessischen Fulda kletterten vier Personen neben den Gleisen in Bäume, hielten den Zug damit allerdings nicht auf. Unter ihnen war den Angaben eines Aktivisten zufolge auch die französische Aktionskünstlerin Cecile Lecomte, die in der Vergangenheit bereits mit spektakulären Anti-Atomkraft-Aktionen auf sich aufmerksam machte.

Neben den Aktionen von Atomkraftgegnern drohen dem Castor-Transport noch ganz andere Widerstände: Ein durchziehendes Sturmtief könnte das Umladen der Atommüllbehälter in der Verladestation Dannenberg deutlich verzögern. Sowohl der Deutsche Wetterdienst in Offenbach als auch das Hamburger Institut für Wetter- und Klimakommunikation bestätigten, dass für Samstag und Sonntag im Wendland Winde der Stärken acht und neun zu erwarten sind. Damit wäre ein Verladen der Behälter unmöglich.

Ein Sprecher der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS) als Betreibergesellschaft des Zwischenlagers Gorleben sagte am Freitagabend: "Ab Stärke sieben ist das Umladen der Behälter einzustellen." Winde seien für die Verladung derart gefährlich, dass es an der Umladestation im Wendland "extra einen Windmesser" gebe. Wenn es zu stürmisch wird, sei das Rezept klar: "Dann können wir nur warten, bis sich der Wind legt."

Der Castor-Transport war am Mittwoch in Frankreich gestartet und sollte sein Ziel, das Zwischenlager in Gorleben, nach ursprünglicher Planung am Wochenende erreichen. Auf seinem Weg hat der Zug am Samstagmorgen auch ein paar Kilometer in Bayern passiert.

(dapd/das)
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