Mutmaßlicher NS-Verbrecher Demjanjuks Auslieferungsaufschub abgelehnt

Cleveland (RPO). Der Berufungsausschuss der US-Einwanderungsbehörde hat einen Antrag des mutmaßlichen Nazi-Verbrechers John Demjanjuk auf eine Aufschiebung seiner Auslieferung nach Deutschland abgelehnt. Seine Anwälte und Familie hatten argumentiert, dass die Reise nach Deutschland für den kranken 89-Jährigen Folter gleichkäme.

 Der frühere KZ-Wächter John Demjanjuk soll schnellstmöglich an Deutschland ausgeliefert werden.

Der frühere KZ-Wächter John Demjanjuk soll schnellstmöglich an Deutschland ausgeliefert werden.

Foto: AP, AP

Angehörige der NS-Opfer drängen auf einen baldigen Prozess in Deutschland. In den Niederlanden formierte sich nach einem "Spiegel"-Bericht eine Gruppe aus Ehepartnern, Geschwistern und Kindern von im Vernichtungslager Sobibor ermordeten Juden, die als Nebenkläger auftreten wollen. Demjanjuks deutscher Rechtsanwalt will für seinen Mandanten Haftbeschwerde einlegen.

Beihilfe zum Mord in 29.000 Fällen

Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft Demjanjuk Beihilfe zum Mord in 29.000 Fällen vor. Er soll 1943 für ein halbes Jahr zu den Wachmannschaften des NS-Vernichtungslagers Sobibor im damals von Deutschland besetzten Polen gehört haben. Er soll sich in München vor Gericht verantworten, da er vor seiner Auswanderung in die USA bis Anfang der 1950er Jahre in der Nähe der bayerischen Landeshauptstadt lebte.

Um die Auslieferung des 89-Jährigen gibt es seit Tagen ein juristisches Tauziehen. Mit Hinweis auf seine angeblich angeschlagene Gesundheit versucht der gebürtige Ukrainer, die bereits angeordnete Auslieferung noch zu verhindern.

"Nicht Rache, sondern Gerechtigkeit"

Der Kölner Strafrechtsprofessor Cornelius Nestler, der die Angehörigen der KZ-Opfer berät, sagte, "nicht Rache, sondern Gerechtigkeit" sei das Ziel der Gruppe. "So wie das Leid und das Leiden der Angehörigen und der Überlebenden bis zu ihrem Tod andauert, so dauert auch die Verantwortung derer, die für dieses Leid verantwortlich sind, bis zu ihrem Tod an", sagte Nestler dem "Spiegel".

Ob Demjanjuk zu einer hohen Strafe verurteilt werde und ob er ins Gefängnis müsse, sei für die Angehörigen nicht entscheidend. Wichtig sei, dass das Gericht feststelle, "ob er an der Mordmaschinerie in Sobibor beteiligt war". Was dort geschah, sei der breiten Öffentlichkeit "viel zu wenig bekannt".

Nach einem Bericht des "Focus" stützt sich der Haftbefehl der Staatsanwaltschaft München auch auf belastende Zeugenaussagen. In den Ermittlungsakten finde sich die Vernehmung eines russischstämmigen Wachmannes des Vernichtungslagers Sobibor, berichtete das Magazin unter Berufung auf Justizkreise. Der Aufseher gab demnach an, im Lager habe es einen "Wachmann Demjanjuk gegeben, der natürlich auch Juden ins Gas getrieben hat".

Der deutsche Rechtsanwalt Demjanjuks, Ulrich Busch, sagte am Donnerstag, er wolle vorsorglich für seinen Mandanten Haftbeschwerde einlegen. Er bereite gerade die nötigen Dokumente vor und werde sie an das Amtsgericht München senden, sagte der Ratinger Rechtsanwalt auf Anfrage. Damit wolle er alle bestehenden juristischen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Inhaftierung seines Mandanten im Fall einer möglichen Auslieferung aus den USA zu verhindern. "Ich beziehe mich da auf den Fall von Erich Honecker, der vor seiner Ausreise nach Chile auch für nicht haftfähig erklärt wurde", sagte Busch. "Nur dass mein Mandant anders als Honecker damals tatsächlich krank ist."

(AP)
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