Nach Todesfall in Brandenburg Das "Würgespiel" auf dem Vormarsch

Potsdam (RPO). Die Nachricht hat viele Verantwortliche im Jugend-und Bildungsbereich aufgeschreckt: Ein 14-jähriger Gymnasiast inBrandenburg ist bei einem sogenannten Würgespiel ums Lebengekommen. Die bisher vor allem in den USA und einigen europäischenLändern unter Jugendlichen verbreitete Suche nach einem solchen"Rausch ohne Drogen" scheint sich auch unter deutschen Teenagernauszubreiten. Lehrer und Eltern sind bisher offenbar weitgehendahnungslos.

So wirken Drogen auf Ihr Gehirn
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Foto: www.trydrugs.net/screenshot

"Es ist nicht davon auszugehen, das dies bei uns der einzige Fallwar", sagt Stephan Breiding vom Brandenburger Bildungsministeriumin Potsdam mit Blick auf den Todesfall. "Dass bisher nichtsregistriert wurde, kann schlicht daran liegen, dass sonst nichtsErnsteres passiert ist." Im Ministerium haben die Expertenerschrocken registriert, was erst am Dienstagabend bekanntgewordenwar, sich aber schon am vergangenen Freitagabend im LandkreisHavelland westlich von Berlin abgespielt hat.

Dort hatte sich ein 14-Jähriger Schüler in seinem Elternhaus inSchönwalde-Glien mit einem Strick um den Hals für kurze Zeit dieAtemluft genommen und war dabei bewusstlos geworden. Da er alleinwar, konnte ihn niemand aus seiner Lage befreien. Seine Mutter fandihn später leblos vor. Auf dem laufenden Computerbildschirmflimmerte noch die Anleitung für ein "Würgespiel".

Zahllose Beschreibungen im Internet

Im Internet finden sich zahllose solcher Beschreibungen, verbundenmit dem Versprechen auf einen Rauschzustand wegen der kurzzeitigenUnterbrechung der Sauerstoffzufuhr zum Gehirn. "Unter Jugendlichengilt es als Kick, bei dem Grenzfälle ausgetestet werden sollen",erläutert Breiding. Der Brandenburger Bildungsminister HolgerRupprecht (SPD) will nun eine Aufklärungskampagne über die Gefahrenstarten. "Wir werden schnell prüfen, wie wir Eltern und Lehrerinformieren können", kündigt sein Sprecher an.

Anderswo hat das grenzwertige Spiel schon deutlich mehr Todesfälleverursacht als in Deutschland. Oft vertreiben sich junge Leute aufdiese Weise offenbar ihre Pause auf dem Schulhof. Dort würgen siesich gegenseitig mit einem Schal oder den Armen. So registriertedie US-Gesundheitsbehörde CDC 82 Jugendliche zwischen sechs und 19Jahren, die in den Vereinigten Staaten zwischen 1995 und 2007 beimabsichtlichen Strangulieren ums Leben kamen.

In Frankreich, wo in diesem Jahr nach Expertenangaben auf einerKonferenz vergangene Woche schon 13 Jugendliche auf diese Artumkamen, hat sich bereits eine Elterninitiative gebildet. AufSchweizer Schulhöfen soll das Würgen als "Ohnmächterlis" die Rundemachen, wie im vergangenen Jahr die Zeitung "SonntagsBlick"berichtete.

Offensichtliche Gefahren

Die eigentlich offensichtlichen Gefahren sind vielen Jugendlichendabei nicht bewusst. "Anhaltendes Würgen kann zu ernsthaftenneurologischen Krankheiten oder Tod führen", warnt die US-BehördeCDC. Schon kurze Aussetzer bei der Sauerstoffversorgung des Gehirnskönnten bleibende Schäden verursachen.

Und auch das Brandenburger Bildungsministerium warnt. "Das istkeine harmlose Mutprobe, wie wenn man von einem hohen Baumspringt", sagt Breiding. "Wir reden hier von einer Praxis, dietödlich sein kann." Viele Eltern allerdings merken gar nichts vonden gefährlichen Spielen ihrer Kinder. Im Brandenburger Fallberichtete die Mutter des Verunglückten der Zeitung "MärkischeAllgemeine": "Er hat nie über derartige Dinge gesprochen. Nie hater geraucht oder uns anderweitig ernstere Sorgen gemacht."

Experten mahnen Eltern und Lehrer, auf äußere Anzeichen zu achten,die das Würgen hinterlässt. Unterlaufene Augen,Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen und rote Flecken am Halsseien Symptome, heißt es bei der CDC-Behörde. Und natürlich solltenMütter und Väter ein Auge darauf haben, welche Seiten ihre Kinderim Internet besuchen.

(AP/felt)
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