Missbrauchsbeauftragte Christine Bergmann "Das Unrecht muss anerkannt werden"

Düsseldorf (RPO). Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung Christine Bergmann fordert, dass Täter öffentlich genannt werden. "Das ist ein Stück Wiedergutmachung für die Betroffenen", sagte sie unserer Redaktion.

Missbrauch an der Odenwaldschule
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Erschüttern Sie die Schicksale der Menschen, die Ihnen schreiben?

Christine Bergmann: Ja, die müssen einen erschüttern. Ich habe bisher ein paar hundert Briefe erhalten, teilweise sehr detaillierte Schilderungen von Missbrauchsfällen. Mich erschüttert vor allem, wie lange der Missbrauch nachwirkt und das Leben der Opfer prägt.

Wenden sich vor allem Betroffene an Sie, die in kirchlichen Einrichtungen missbraucht wurden?

Bergmann Nein. Die Opfer kommen aus allen Bereichen. Die Betroffenen waren in kirchlichen Einrichtungen und Internaten, aber auch in staatlichen Schulen, Sportvereinen oder Behindertenheimen . Viele schlimme Fälle geschehen auch im familiären Umfeld. Es melden sich viele, bei denen der Missbrauch oft Jahrzehnte zurückliegt.

Was sagen oder schreiben Sie den Opfern, die sich an Sie wenden?

Bergmann: Ich schreibe den Betroffenen, dass ihre schlimmen Erfahrungen in unsere Arbeit aufgenommen werden. Wir können selbst keine therapeutischen Angebote machen, wollen aber Hinweise geben, wo sich die Opfer vor Ort helfen lassen können. Hier sind wir in engem Kontakt mit bereits bestehenden Beratungssstellen und therapeutischen Angeboten.

Erwarten Sie großen Andrang, wenn Sie Ende Mai ihre Telefon-Hotline schalten?

Bergmann: Ja, nach den Erfahrungen der katholischen Kirche mit ihrer Hotline rechne ich mit großem Andrang. Zumal wir uns nicht nur um Altfälle in Institutionen, sondern auch um aktuelle Fälle und Missbrauch im familiären Umfeld kümmern.

Muss eine Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung fest institutionalisiert werden?

Bergmann: Mein Auftrag ist zeitlich begrenzt. Klar ist aber jetzt schon, dass unser Angebot sehr stark angenommen wird. Empfehlungen zum Ausbau von Hilfsangeboten werden wir erst am Ende unserer Arbeit geben können, wenn wir insgesamt politische Empfehlungen für die Bundesregierung aussprechen.

Wie kann man den Opfern helfen?

Bergmann: Zentral ist, dass das Unrecht anerkannt wird und dass die Institutionen und Personen, die Missbrauch begangen haben, öffentlich genannt werden. Das ist ein Stück Wiedergutmachung für die Betroffenen. Wir benötigen eine Umkehr, dass nicht die Institutionen und die Täter geschützt werden, sondern die Kinder und Jugendlichen. Wir müssen in der Gesellschaft noch klarer machen, dass Kinder ein Recht auf Schutz vor sexuellem Missbrauch haben.

Muss es auch eine materielle Entschädigung geben?

Bergmann: Das ist ein schwieriges Kapitel. Das wird im Herbst das Thema des runden Tisches sein. Sicherlich werden aber mehr finanzielle Mittel für Hilfe und Prävention benötigt. Wir müssen die Angebote der Beratungsstellen ausbauen. Wir brauchen auch auch eine bessere Fortbildung zum Beispiel von Menschen, die in Instititutionen wie Schulen, Kitas und Sportvereinen mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, damit sie Fälle von sexuellem Missbrauch erkennen und Hilfen anbieten können. Nur so können wir auch den Missbrauch in Familien aufdecken und stoppen. Das ist nicht zum Nulltarif zu haben.

Gegen Bischof Mixa ist der Vorwurf laut geworden, er habe nicht nur misshandelt, sondern auch missbraucht, hat sich das auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

Bergmann: Nein. Ich kann nur generell sagen, dass die derzeitige öffentliche Debatte Menschen ermutigt, ihr Schicksal öffentlich zu machen. Das trägt dazu bei, die Aufarbeitung und die Prävention voranzubringen. Dieser Prozess darf nicht wieder ins Stocken geraten.

(RP)
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