Nach umstrittenem Titel auf Schweizer Zeitung Das ist der Roma-Junge Mentor M.

Zürich · Es ist zwei Wochen her, als der Titel einer Schweizer Wochenzeitung für Empörung sorgte. Darauf zu sehen ein Roma-Junge mit Pistole. Die Zeile: "Die Roma kommen: Raubzüge in die Schweiz". Nun haben andere Schweizer Zeitungen den Jungen ausfindig gemacht. Er lebt im Kosovo – und kam dort nie weg.

 So sah der Titel der Wochenzeitung "Weltwoche" aus.

So sah der Titel der Wochenzeitung "Weltwoche" aus.

Foto: Screenshot Weltwoche

Es ist zwei Wochen her, als der Titel einer Schweizer Wochenzeitung für Empörung sorgte. Darauf zu sehen ein Roma-Junge mit Pistole. Die Zeile: "Die Roma kommen: Raubzüge in die Schweiz". Nun haben andere Schweizer Zeitungen den Jungen ausfindig gemacht. Er lebt im Kosovo — und kam dort nie weg.

Es war eine Welle der Empörung, die nach Erscheinen der "Weltwoche"-Ausgabe vom 4. April nicht nur in der Schweiz losgetreten wurde. Verschiedene Organisationen erstatteten Anzeigeund warfen dem Blatt Rassismus vor, die Zeitung selbst diskutierte den Titel in ihrer darauffolgenden Ausgabe erneut.

Doch was ist eigentlich mit jenem Jungen, der auf dem Titel abgebildet wurde? Die Schweizer Zeitungen "20 Minuten" und "Die Wochenzeitungen" haben den Kleinen gefunden und in seiner Heimat im Kosovo besucht. Dort lebt Mentor M. in ärmlichen Verhältnissen mit seinem Vater Rexhep, seiner Mutter Teuta und zwei Schwestern. Der Vater ist über die Abbildung seines Jungen in der "Weltwoche" empört.

"Stumm und schüchtern schüttelt er seinen Besuchern die Hand und stellt sich dann hinter seinen Vater", schreibt etwa "20 Minuten". Und "Die Wochenzeitung" bemerkt: "Mentor und seine zwei Schwestern Sinita und Shkurte setzen sich schüchtern neben ihre Eltern." Es ist die Beschreibung eines kleinen Jungen, wie er überall auf der Welt zu finden ist. Allerdings ist der Junge inzwischen acht Jahre alt, das Foto dagegen enstand, als er noch vier Jahre alt war.

Mit einer Spielzeugpistole auf der Müllkippe

Wie die beiden Zeitungen schreiben, hatte der Junge damals mit einer Spielzeugpistole auf einer Mülldeponie gespielt, der Deponie, die vielen Roma im Westen des Kosovos den Unterhalt sichert. Denn dort sammeln sie Müll wie etwa Büchsen und verkaufen dies an die Recyclingfirmen. Auch Mentors Vater habe dort einst Müll gesammelt, schreibt "20 Minuten", heute allerdings verarbeite er Holz in der Stadt.

Dennoch, die Familie lebt nach den Berichten nach wie vor in ärmlichen Verhältnissen in der illegalen Siedlung Ali Ibra. Sie hätten einen einzigen Raum zur Verfügung, die Wände seien rosa angestrichen. Doch inzwischen unterstütze die Caritas die Roma in der Siedlung, was zumindest eine Erleichterung der Lebensumstände eingebracht hatte.

Dass sein Sohn allerdings nun überall im Internet zu finden sei, macht Rexshep wütend, denn auch einige im Viertel hätten das Bild gesehen. "Die Leute werden denken, wir seien Kriminelle", Diebe", sagte er der "Wochenzeitung". Und er befürchtet, dass sein Sohn nun gehänselt werde. Der Junge selbst, so sagt er, erinnert sich gar nicht mehr daran, wie das Foto entstanden sei, dafür sei er zu klein gewesen.

"Wir sind keine Verbrecher und waren noch nie außerhalb des Kosovos", zitiert "20 Minuten" den Vater. "Wie auch? Wir haben keine Chance, hier wegzukommen." Denn der Vater bekommen — neben dem Geld aus seinen kleinen Jobs — gerade einmal 75 Euro monatlich Sozialhilfe, allerdings nur noch zwei Monate. Und natürlich, so sagt der Vater der Zeitung, gebe es Tage, wo er Probleme habe, seine Familie zu ernähren. "Woran ich aber nie — nie! — auch nur einen Gedanken verschwenden würde, wäre, meine Kinder in ein Land wie die Schweiz zu schicken.

(das)
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