Käßmann-Rücktritt "Das Image der EKD ist beschädigt"

Düsseldorf (RP). In Geschichtsbüchern heißt es von den Regentschaften der Gescheiterten oft, sie seien "kurz und glücklos" gewesen. Margot Käßmann war von den bisher elf Ratspräsidenten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit Abstand am kürzesten im Amt -­ gerade einmal vier Monate. Und wenn man das Glück einer Amtszeit am Maß der Zustimmung für den Amtsträger misst, dann trifft auch das Wort "glücklos" zu.

Margot Käßmann: Frau voller Widersprüche
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Die Russisch-Orthodoxe Kirche brach nach Käßmanns Wahl den Dialog mit der EKD ab; ihre Kritik am Afghanistan-Einsatz ("Nichts ist gut") provozierte harschen Widerspruch; die Katholiken erzürnte ihre Schelte für Papst Benedikt XVI., der zu wenig für die Ökumene tue.

Zu den strukturellen Großbaustellen des deutschen Protestantismus ­ bis 2030 wird die Mitgliederzahl um ein Drittel, die Finanzkraft um die Hälfte zurückgehen, die EKD steckt in einer umfassenden Reform ­ ist die personelle Krise getreten. "Das Image der EKD ist beschädigt", sagt Helmut Matthies, Leiter der konservativen evangelischen Nachrichtenagentur Idea.

Mehr noch ­ Käßmann hinterlasse ein Vakuum: "Wir haben keinen, der ihr an Strahlkraft nahekommt." Der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer urteilt gar, Käßmann sei "unersetzbar". Als Gattungsexemplar ­ Frau, für kirchliche Verhältnisse jung, mit einem versehrten Lebenslauf, auch deshalb aber mit überragender Wirkung weit in die weitgehend entkirchlichte und teils entchristianisierte Außenwelt ­ war Käßmann in der Tat eine Rarität in der EKD-Führung. Jetzt dürfte die Präses der Synode, die Grüne Katrin Göring-Eckardt, als Spitzenprotestantin stärker in den Vordergrund rücken.

Das erkennen im Moment des Scheiterns auch die in der EKD an, die Käßmanns Auffassungen nicht restlos teilten: Die Kritik war auffällig verhalten. "Sie wäre garantiert für eine zweite Amtszeit gewählt worden", vermutet Matthies. Die Äußerungen zu Afghanistan beispielsweise hätten ihr innerkirchlich nicht geschadet.

Der Rücktritt komme zum "schlimmstmöglichen Zeitpunkt", sagt Paul Nolte, Präsident der Evangelischen Akademie Berlin. Aber das Bedürfnis nach "moralischer Orientierung" auch durch die Kirchen bleibe. Die EKD habe sich dort zuletzt die "Meinungsführerschaft" zurückerobert. Dass man über den Protestantismus spricht und mit ihm streitet, ist nicht zuletzt Käßmanns Verdienst ­ und am Ende vielleicht mehr als ein kleines Glück, das man mit ihrer Amtszeit verbinden wird.

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