Droge auf dem Vormarsch Crystal Meth macht Experten zunehmend Angst

Die US-Serie "Breaking Bad" hat die Droge Crystal Meth in Deutschland bekannt gemacht. Inzwischen verbreitet sie sich mit wachsender Geschwindigkeit auch in Deutschland. Sie ist billig, leicht herzustellen und macht sehr schnell abhängig. Anfangs verursacht sie grenzenlose Euphorie. Am Ende steht extreme Paranoia. Innenminister Friedrich ist alarmiert.

 Die Rauschdroge Crystal Meth verbreitet sich in Deutschland.

Die Rauschdroge Crystal Meth verbreitet sich in Deutschland.

Foto: dpa, Arno Burgi

An diesem Donnerstag hat der Innenminister Tschechien besucht. Von dort aus verbreitet sich die Droge mit wachsender Geschwindigkeit in Deutschland. Schwerpunkt waren anfangs benachbarte Länder wie Bayern, Sachsen und das südliche Brandenburg. Inzwischen werden Funde aus ganz Deutschland gemeldet. An den Flughäfen von Düsseldorf, Frankfurt am Main, München und Köln/Bonn wurden ihn den vergangenen Monaten mehrere Kilogramm Crystal Meth sichergestellt, berichtete unlängst die Wochenzeitung "Die Zeit".

Ihren Text über die Droge, die Ermittlern und Experten in letzter Zeit so viel Sorgen bereitet, betitelte das Blatt mit der Überschrift "Der Seelenfresser". Crystal Meth ist ein Monster. Anfangs kommt es als Partydroge daher, wie gemacht für den Einstieg in die Sucht. Die vergleichsweise niedrigen Kosten machen Crystal schon für junge Menschen erschwinglich.

Körper und Geist zerfallen

Es lässt sich kinderleicht konsumieren, wird geschnupft oder erhitzt und inhaliert. Beim ersten Mal löst die Droge Euphorie aus, Abhängige berichten von einem Gefühl der Stärke und Unüberwindbarkeit. Nach außen wirken die Konsumenten nervös und unruhig. Hunger, Schmerzen oder Müdigkeit sind vergessen, manche tanzen zwei Tage durch.

Die Folgen des Kicks sind verheerend. Crystal Meth macht extrem schnell abhängig. Weil sich der Kick vom ersten Mal kaum reproduzieren lässt, verlangen die Konsumenten nach immer höheren Dosen. Und geraten so in eine Teufelsspirale. Das Elend folgt nahezu unmittelbar. Körper und Geist zerfallen.

Stimmen im Kopf

Crystal ist so gefährlich, weil es für die Nervenzellen pures Gift darstellt. Vielen Abhängigen sieht man die Sucht schon nach kurzer Zeit an. Drogenfahnder berichten von Abhängigen, die mit Anfang 20 keine Zähne mehr hatten und bei denen die Alterung wie im Zeitraffer vor sich ging. Hinzu kommen Herzprobleme und großflächige Hautentzündungen, die bei Langzeitabhängigen allerdings später wieder verschwinden.

Hinzu kommen die psychischen Schäden. Verfolgungswahn und Gedächtnisstörungen sind die Kehrseite der anfänglichen Euphorie. Drogenberater wissen von Abhängigen zu berichten, die dauerhaft Stimmen hörten. Die Wahnvorstellungen sind oftmals dauerhafter Natur. Derartige Psychosen lassen sich wenn überhaupt nur nach etlichen Jahren therapieren.

Ein attraktives Geschäft

Für die Drogenbarone besitzt Crystal ebenfalls einen großen Reiz. Das künstlich im Labor herzustellende Methamphetamin lässt sich leicht und vor allem billig produzieren. Nach Angaben des Zolls kostet ein Gramm Crystal "im Einkauf" zwischen 20 bis 30 Euro, in Deutschland wird es im Schnitt für 80 Euro weiterveräußert. So lässt sich viel Geld verdienen.

Die Risiken und Herstellungskosten sind hingegen überschaubar. Laborgeräte und Zusatzstoffe lassen sich frei im Handel erwerben. Anschließend wird es als weißes oder eingefärbtes kristallines Pulver, teilweise auch als Tabletten oder Kapseln verkauft. Hergestellt wird es aus dem Wirkstoff Ephedrin, der in Asthma-, Husten- und Grippemedikamenten enthalten ist.

Früher hieß Crystal Panzerschokolade

Eine Neuerfindung ist Crystal Meth indes nicht. Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs war es unter dem Markennamen Pervitin bekannt, mit dem es auch immer noch in Tschechien gehandelt wird. Pervitin war zu Beginn der 40 Jahre unter Soldaten millionenfach verbreitet, weil sich mit ihm die Angst unterdrücken ließ. Damals nannte man das Mittel auch Panzerschokolade, Stuka-Tabletten oder Hermann-Göring-Pillen.

Nun feiert die Droge ein unheilvolles Comeback. Experten machen vor allem die hohen Zuwachsraten Angst. 2011 wurden insgesamt 1693 Konsumenten erstmals wegen Crystal auffällig, das waren 163 Prozent mehr als im Jahr davor. Damit nahmen in Deutschland erstmals mehr Erstkonsumenten Crystal als Ecstasy.

Drastische Wachstumsraten

Auch Fahnder registrieren einen rasanten Anstieg. Während sie im Jahr 2010 nicht mehr als drei Fälle registrierten, wurden im Jahr darauf 78 Menschen mit Crystal in den Taschen aufgegriffen. 2012 waren es bereits 250. Über die Dunkelziffer lässt sich nur mutmaßen. Auch die Suchtberatung in Sachsen hat unlängst eine drastische Zunahme von Crystal-Abhängigen vermeldet: Im Jahr 2012 meldeten sich dort 3500 Menschen, die nicht mehr weiter wussten.

Entsprechend alarmiert ist die Politik. Tschechien gilt nach wir als eine Hauptbezugsquelle. Den teuflischen Stoff kann man sich dort weitgehend problemlos besorgen. Auf sogenannten Vietnamesenmärkten ist das weiße Pulver Alltagsware. "Crystal ist leicht verfügbar, muss nicht von Dealern bezogen werden. Man deckt sich selbst ein", sagt die Sprecherin des Hauptzollamtes, Heike Wilsdorf.

Druck auf Tschechien

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) macht für das zunehmende Problem auch die rechtliche Situation in Tschechien verantwortlich. Dort habe man den "Drogenbesitz zum Eigenbedarf" erheblich erleichtert. Tschechien hatte 2010 ein liberales Drogengesetz verabschiedet. Seither wird der Besitz von bis zu zwei Gramm Crystal nicht mehr als Straftat, sondern nur als Ordnungswidrigkeit geahndet. "Eine Gesetzesänderung wäre ein wichtiger Schritt zur Eindämmung dieser Suchtgefahr", sagt Ulbig.

Inzwischen gibt es offenbar eine Kurskorrektur in Prag. Tschechien hatte unlängst angekündigt, den Handel mit Crystal stärker bekämpfen zu wollen. Eine Arbeitsgruppe von Zoll, Polizei und Gesundheitsbehörden soll das Vorgehen gegen die Drogenschmuggler koordinieren. Zudem plant Prag, die zum Eigenverbrauch erlaubte Menge Crystal zu verringern.

"Operation Speedway"

Als Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Ulbig an diesem Donnerstag in Prag ihren tschechischen Kollegen Jan Kubice trafen, kam ebenfalls das Drogenproblem zur Sprache. Friedrich rief Tschechien zu weiteren Anstrengungen im Kampf gegen die Droge auf. "Das ist eine Gefahr für unsere jungen Leute", sagte er. Die Drogenkriminalität im Grenzgebiet habe "fast epidemische Ausmaße angenommen", bestätigte der tschechische Innenminister Jan Kubice.

Mit verstärkten Kontrollen in der Grenzregion soll nun der Druck auf Schmuggler und Konsumenten erhöht werden. Schon im Rahmen der "Operation Speedway" gingen 2011 und 2012 Zoll- und Polizeibehörden in Deutschland und Tschechien gemeinsam gegen Crystal-Dealer und Schmuggler vor. In Tschechien wurden nach Angaben des Bundesinnenministeriums in jüngster Zeit 41 illegale Labore zur Methamphetaminherstellung ausgehoben. Beiderseits der Grenze gab es zudem mehr als 1000 Festnahmen.

Mit Material von dpa und AFP

(pst)
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