91 Euro pro Tag Soldaten sollen zu Unrecht Corona-Zuschläge bekommen haben

Berlin · Bundeswehrangehörige haben für Unterstützungseinsätze in der Corona-Pandemie möglicherweise zu Unrecht finanzielle Zulagen erhalten. Betroffenen droht nun eine hohe Rückforderung.

 Soldaten werten Daten zur Corona-Kontaktverfolgung aus (Symbolbild).

Soldaten werten Daten zur Corona-Kontaktverfolgung aus (Symbolbild).

Foto: dpa/Carsten Koall

Die Bundeswehr habe den eigentlich nur für Ausnahmefälle gedachten Zuschlag von 91 Euro pro Tag eine Zeit lang für sämtliche in der Corona-Amtshilfe tätigen Soldatinnen und Soldaten vorgesehen, heißt es in einem Bericht des Bundesrechnungshofs, der am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP vorlag. Dies stehe im Widerspruch zur gesetzlichen Grundlage.

Konkret geht es um eine Regelung im Bundesbesoldungsgesetz. Sie besagt, dass Soldatinnen und Soldaten den 91-Euro-Zuschlag bekommen, wenn sie im Rahmen der Amtshilfe unter besonderen zeitlicher Belastung stehen und kein Freizeitausgleich möglich ist.

Laut dem Prüfbericht von Februar 2022, über den zuerst der „Spiegel“ und „Business Insider“ berichtet hatten, änderte das Verteidigungsministerium die konkrete Anwendung mehrmals. Zunächst sei festgelegt worden, dass alle Dienste während der Amtshilfe unter diese Sonderregelung fallen. Später konnte dies nur noch in speziellen Fällen angeordnet werden und schließlich gar nicht mehr.

Im Fokus des Berichts steht das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr, das für die Einsätze im Rahmen der Amtshilfe zuständig war. „Durch mündlichen Befehl des Kommandeurs setzte das Kommando am 28. Februar 2020 alle in der Operationszentrale tätigen Soldatinnen und Soldaten in den Ausnahmetatbestand“, hießt es in dem Bericht. Dies habe bis Juli 2021 gegolten.

„Auch dienstfreie Wochen sowie dienstfreie Wochenenden innerhalb der dienstfreien Wochen“ seien nicht als Freizeitausgleich im Sinne des Bundesbesoldungsgesetzes gewertet worden, kritisieren die Prüfer. Soldatinnen und Soldaten hätten außerdem „fehlerhafte Einzelabrechnungen“ vorgenommen.

Allein beim Kommando Territoriale Aufgaben geht es den Angaben zufolge um insgesamt mehr als 1,2 Millionen Euro für den Zeitraum März 2020 bis Juli 2021. Das Kommando wurde im fraglichen Zeitraum von Carsten Breuer geführt. Der Generalleutnant soll am Freitag Generalinspekteur der Bundeswehr werden.

Zur Reaktion des Verteidigungsministeriums (BMVg) heißt es in dem Prüfbericht: „Das BMVg hat die Feststellungen des Bundesrechnungshofes bestätigt. Es folgt weitestgehend seinen Empfehlungen und teilt seine Auffassung, wonach rechtswidrige Praktiken inakzeptabel und zu korrigieren seien.“ Das Ministerium wolle zudem „die zuständigen Stellen auffordern, die Abrechnungen zu prüfen und im Fall rechtswidriger, schuldhafter Abrechnungen Rückforderungsverfahren einzuleiten“.

Verteidigungsminister: Sondervermögen hat bald sichtbare Effekte

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) rechnet derweil schon bald mit ersten Effekten aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr. „Wir können sagen, dass wir rund 30 Milliarden des Sondervermögens vertraglich gebunden haben“, sagte der Minister am Donnerstag bei einem Besuch der Streitkräftebasis auf einem ehemaligen Militärflugplatz bei Mahlwinkel nördlich von Magdeburg. „Es sind Mittel gebunden und es wird jetzt sichtbar werden in den nächsten Wochen und Monaten. Davon können Sie mal sicher ausgehen.“

Pistorius sagte, es bestünden Vorverträge und Verträge, aber es sei noch nicht geliefert, „was auch naheliegend ist, weil wir über bestimmte Systeme reden, die einfach Liefer- und Herstellungszeiten haben, die Sie auch nicht beschleunigen können. Das gilt für Munitionsarten, für Haubitzen, das gilt erst recht für Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge. Das braucht alles Zeit“, sagte der Minister.

Er drückte seine Wertschätzung für die Bundeswehr aus. „Es gibt Mängel in der Truppe, aber die liegen nicht an der Truppe, sondern die liegen in der Ausstattung und an den Strukturen. Aber die Bundeswehr ist weit davon entfernt, ein Trümmerhaufen zu sein.“

Der Verteidigungsminister besuchte erstmals die Streitkräftebasis der Bundeswehr und sah sich Übungen verschiedener Truppenteile an - vom Zentrum für Kraftfahrwesen über den Bereich Nachschub und Transport, Instandsetzung bis zur Trinkwasseraufbereitung. Pistorius, der eine Nässeschutzjacke der Streitkräftebasis trug, fuhr unter anderem in einem Fahrschul-Panzer Leopard 2 mit sowie in einem Schwerlasttransport.

„Wer sich die Leistungsfähigkeit und die Bandbreite der Fähigkeiten heute und auch an anderen Tagen anschaut, der sieht, wozu diese Truppe in der Lage ist. Und das wiederum tut gut zu sehen, gerade für mich als Verteidigungsminister“, sagte Pistorius.

Die Streitkräftebasis ist der zweitgrößte militärische Organisationsbereich und zentraler Servicedienstleister der Bundeswehr. Sie hilft, damit alle Soldaten gut arbeiten können. Die Verbände seien mit ihren Frauen und Männern aktuell in der Stand-by-Phase für die Nato-Krisenreaktionstruppe (Nato Response Force), hieß es.

(felt/AFP)
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