Petition löst Debatte aus Bundesjugendspiele — eine organisierte Demütigung?

Düsseldorf · Eine alleinerziehende Mutter will die Bundesjugendspiele abschaffen. In ihren Augen ist das verbindliche Sportfest für viele Kinder eine unnötige Qual. Ihre Online-Petition stößt auf unerwartet großen Zuspruch.

 Für manche Schüler sind Bundesjugendspiele eine Qual.

Für manche Schüler sind Bundesjugendspiele eine Qual.

Foto: nico hertgen

Eine alleinerziehende Mutter will die Bundesjugendspiele abschaffen. In ihren Augen ist das verbindliche Sportfest für viele Kinder eine unnötige Qual. Ihre Online-Petition stößt auf unerwartet großen Zuspruch.

Auf change.org lässt sich ablesen, dass Christine Finke, eine Stadträtin aus Konstanz, mit ihrem Ärger nicht allein ist. "Bundesjugendspiele abschaffen", lautet der Titel, den sie ihrer Petition gegeben hat. Fast 6000 Unterstützer hat sie in wenigen Tagen für ihr Anliegen gefunden und damit deutlich mehr als erwartet.

Unter ihrem Beitrag hat sich zeitgleich eine hitzige Diskussion über ihre Argumente entwickelt. Auch bei Twitter findet die Debatte ihren Niederschlag, zudem berichten zahlreiche Medien. Warum, liegt auf der Hand. Fast jeder kann bei dem Thema mitreden und hat in seiner Schulzeit kennengelernt, was es heißt, bei Bundesjugendspielen anzutreten.

In den Augen der Initiatorin ist das für Schüler und Schulen verbindlich vorgeschriebene Sportfest ein Relikt von vorgestern. "Die Bundesjugendspiele sind nicht mehr zeitgemäß", begründet Finke ihr Anliegen. Der Zwang zur Teilnahme und der starke Wettkampfcharakter sorgten bei vielen Schülern für das Gefühl, von den Mitschülern gedemütigt zu werden.

Daran habe auch die Einführung der "Teilnahmeurkunde" für diejenigen, die am schlechtesten abschneiden, nichts geändert. Denn: "Ein Wettkampf, bei dem Einzelne schon vorher wissen, dass sie chancenlos sind, ist sinnlos und unfair."

Anstatt allen Schülern Freude an der Bewegung und Selbstbewusstsein zu vermitteln, haben die Bundesjugendspiele nach Auffassung Finkes einen ganz anderen Effekt. "Sie demotivieren Schüler und setzen sie unter sozialen Druck." Auch in ihrem Blog kämpft die Mutter gegen den Sport-Wettbewerb. Die Bundesjugendspiele leben demnach von "Aufwertung und Abwertung einzelner auf Kosten anderer".

Sie weiß das aus nächster Nähe. Unter ihrem Twitter-Account @Mama_arbeitet berichtete sie in der vorigen Woche, wie ihr Sohn "heulend" nach Hause kam, in der Hand eine Teilnehmerurkunde, dem Trostpreis für die Schwächsten.

Neben dem Zuspruch für ihre Petition erntet Finke aber auch vehementen Widerspruch. Manche werfen der Mutter vor, ihren Sohn in Watte zu packen. Gerade der Sport biete eine gute Chance, sich auf das Leben in einer Leistungsgesellschaft vorzubereiten. Nicht selten haben die Kommentare dabei einen hämischen Unterton.

Im Kern geht es dabei immer wieder um die Frage, ob Sport zwingendermaßen auch einen Wettbewerb mit Gewinnern und Verlierern erfordert und ob Kinder dazu gezwungen werden dürfen. Bei anderen Wettbewerben wie zum Beispiel beim Lesen oder in der Musik sei die Teilnahme schließlich auch freiwillig, heißt es unter anderem.

Erfunden wurden die Bundesjugendspiele in Deutschland in ihrer jetzigen Form im Jahr 1951. Relevant für die Ausrichter ist derzeit ein Beschluss der Kultusministerkonferenz vom Oktober 1979. Darin heißt es unter anderem: "Die Bundesjugendspiele sprechen durch ihren pädagogischen Ansatz ihre breitensportlich orientierte Ausprägung und ihr differenziertes inhaltliches Angebot in den Bereichen "Wettkampf", "Wettbewerb" und "Mehrkampf" alle Schülerinnen und Schüler entsprechend ihrem individuellen Leistungsvermögen an."

(pst)
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