Nach Amoklauf von Winnenden Bürger geben legale Waffen ab

Waiblingen (RPO). Nach dem Amoklauf an der Albertville-Realschule in Winnenden hat offenbar ein Umdenken in der Bevölkerung begonnen. Bisher haben schon 40 Besitzer ihre legalen Lang- und Kurzwaffen bei dem Landratsamt in Waiblingen abgegeben.

Einen Tag nach dem Amoklauf von Winnenden mit insgesamt 16 Toten erfuhr Gerhard Krauter jene traurige Nachricht, die ihn zu einem entscheidenden Schritt bewogen hat: Die Freundin seiner Enkeltochter war bei dem Massaker, das Tim K. an der Albertville-Realschule begonnen hatte, ermordet worden. Spontan habe sich der langjährige Sportschütze schließlich entschieden, seine Waffen loszuwerden. "Ich wollte nur noch, dass die Waffen aus dem Haus kommen", sagt er.

Vergangene Woche ging Krauter schließlich mit seinen fünf Waffen, drei Pistolen sowie zwei Langwaffen, zum Landratsamt in Waiblingen. "Das lief alles total einfach und ich bin jetzt froh, dass sie weg sind", sagt er. Unter seinen Waffen war auch eine "Beretta" - jene Pistolenmarke, mit der auch Tim K. vor zwei Wochen 15 Menschen und sich selbst erschoss. Der 17-Jährige hatte die Waffe aus dem Schlafzimmer seiner Eltern genommen. Sein Vater besaß zahlreiche Waffen, da er Mitglied im Schützenverein war.

Auch Krauter war mal Mitglied in einem Schützenverein. Seit 30 Jahren besaß er seine Waffen. "In den vergangenen Jahren habe ich aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr geschossen. Ich hab schon gar nicht mehr an die Waffen gedacht", sagt er. Bewusst seien sie ihm erst wieder geworden, als das, wie er es bezeichnet, "schreckliche Ereignis" passiert sei. "Ich hab dann zu meiner Frau gesagt: 'Ich bring die jetzt weg'".

Bisher 69 Waffen abgegeben

Insgesamt gibt es alleine im Rems-Murr-Kreis 9304 legale Waffenbesitzer, die 32 258 Waffen besitzen. Wie viele illegale Waffen kursieren, ist unklar. Bis Donnerstag seien beim Landratsamt in Waiblingen 69 Waffen sowie 15 Kilogramm Munition von insgesamt 40 Besitzern abgegeben worden, rechnet Landrat Johannes Fuchs am Donnerstag vor. Meist wurden diese von älteren Männern abgegeben. "Es gibt eine unheimliche Betroffenheit in der Bevölkerung. Viele denken nun darüber nach, wie sie einen eigenen Beitrag zu mehr Sicherheit leisten können", erklärt Fuchs die Motivation.

Landkreis will alle Waffenbesitzer anschreiben

Der Landkreis will nun die Abgabe von Waffen mit diversen Aktionen weiter unterstützen. Unter anderem sollen in den kommenden Tagen alle 9304 Waffenbesitzer im Landkreis angeschrieben werden. In einem Merkblatt sollen die Besitzer nochmals auf die Vorschriften zur Aufbewahrung der Waffen hingewiesen werden. Zudem sollen sie eine Selbstauskunft über die Anzahl und Art ihrer Waffen ausfüllen. Ziel sei es, dass sich Waffenbesitzer fragten "Brauche ich die Waffe überhaupt noch?".

Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) denkt über diese Aktionen noch hinaus. Nach seinem Willen könnte es eine fünfmonatige Amnestie für die Rückgabe auch illegaler Waffen geben, wie sie auch nach dem Amoklauf in Erfurt im Jahr 2002 gewährleistet wurde. Dabei würden Waffenbesitzer nicht gefragt, woher die Waffen stammen. "Hauptsache sie werden abgegeben und vernichtet", sagt Goll.

Gerhard Krauter ist froh, dass seine Waffen nun vernichtet werden. Er hatte sie immer ordnungsgemäß aufbewahrt und den Schlüssel zu dem Tresor in einem weiteren Tresor verschlossen. "Aber was wäre denn gewesen, wenn ich nicht mehr gewesen wäre", sagt der 68-Jährige. Anderen Waffenbesitzern kann er nur das gleiche raten. "Ich bin jetzt wirklich von Waffen frei. Das sollten andere auch tun."

(DDP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort