Die meisten wissen, dass Größe, Figur oder Haarfarbe nicht viel über die Fähigkeiten und Charaktereigenschaften einer Person aussagen. Und trotzdem sind diese Körpermerkmale bei der Beurteilung von Menschen, die man zum ersten Mal sieht, entscheidend. Sie vermitteln einen ersten Eindruck. Und der basiert auf "nichts anderem als Vorurteilen", sagt der Sozialpsychologe Reinhold Bergler von der Universität Bonn.

Die Macht der Vorurteile ist so stark, dass im Berufsleben schiere Körpergröße über Erfolg oder Misserfolg entscheiden kann. "In Urzeiten wurde Größe mit Stärke gleichgesetzt, das ist wohl genetisch noch immer in uns verankert", sagt Guido Heineck vom Institut für Familienforschung in Wien. Heineck hat in einer für Deutschland repräsentativen Studie gezeigt, dass jeder zusätzliche Zentimeter Körpergröße 0,6 Prozent mehr Bruttolohn am Monatsende bringt. "Betrachtet man zwei gleich qualifizierte Männer, die sich lediglich in ihrer Größe um zehn Zentimeter unterscheiden, dann verdient der größere übers Jahr gerechnet 1.800 Euro mehr."

Wer groß ist, der gelte als selbstbewusst und ehrgeizig. Ihm werden Durchsetzungsvermögen und Führungswille zugetraut. "Vor großen Menschen hat man mehr Respekt, denen gegenüber kommt man sich kleiner vor." Das könne auch dazu führen, dass in Bewerbungsgesprächen großen Menschen der Vorzug gegeben wird, denn auf kleinere Bewerber schaue man eher herab, sagt der Wirtschaftswissenschaftler. Bei Frauen spiele die Körpergröße im Job aber eine geringere Rolle.

Von gutem Aussehen profitieren hingegen beide Geschlechter. "Je attraktiver jemand wahrgenommen wird, desto positiver wird er beurteilt", sagt Prof. Manfred Hassebrauck von der Universität Wuppertal. Schöne Menschen werden dem Sozialpsychologen zufolge beispielsweise für intelligenter und kompetenter gehalten. Nur in zwei Punkten würden sie negativ bewertet: Sie gelten als eitel und als unbescheiden.

Auch die Vorurteile gegenüber attraktiven Menschen machen sich auf dem Konto bemerkbar. "Es gibt Studien, die beweisen, je attraktiver jemand ist, desto mehr Gehalt verdient er", sagt Hassebrauck. Vor allem Männer profitierten von diesem Effekt. "Im Beruf ist gutes Aussehen für Männer wichtiger als bei der Partnerwahl".

Bei Frauen hingegen ist die Körperfülle entscheidender. "Schlanke werden positiver beurteilt als Dicke", sagt Wissenschaftler Heineck. Amerikanische Studien hätten gezeigt, dass dicke Frauen im Schnitt schlechter bezahlt werden, weil man sie für weniger intelligent, undiszipliniert und unmotiviert hält.

Auch die Psychologin Juliane Degner von der Universität Saarbrücken hat erforscht, welche Vorurteile es gegenüber Übergewichtigen gibt. "Dicke Menschen werden einerseits für dumm, faul, langsam und frustiert gehalten, andererseits gelten sie aber auch als humorvoll, gesellig und kontaktfreudig."

Vor allem bei Frauen wird die Leibesfülle taxiert. Doch Frauen sind nicht nur Opfer dieses abschätzigen Blickes: Sie bewerten ihre Mitmenschen auch selbst stärker nach dem Gewicht als dies Männer tun. Dabei sind die negativen Vorurteile gegenüber Dicken um so stärker, je dünner die Betrachter selbst sind, sagt Degner. "Dicke bewerten andere Dicke weniger negativ."

Neben Größe, Schönheit und Körperfülle gibt es auch bezüglich der Haare eine Reihe von Vorurteilen. "Männer glauben an Haaren mehr zu erkennen als Frauen", sagt Sozialpsychologe Bergler. Sie meinen, sie könnten an den Haaren sehen, ob jemand durchsetzungsfähig, intelligent, selbstbewusst oder leistungsorientiert ist. "Dementsprechend fällen sie auch mehr Fehlurteile als Frauen."

Vor allem rothaarige Männer würden negativ beurteilt, sagt Ronald Henss, Privatdozent für Psychologie an der Universität des Saarlandes. "Man hält sie nicht für intelligent, glaubt sie seien nervöser, wenig selbstsicher und unmännlich". Die Forschungsergebnisse ließen es für rothaarige Männer überlegenswert erscheinen, sich die Haare zu färben.

Bei rothaarigen Frauen sei die Haarfarbe dagegen nicht allein entscheidend. "Da kommt es immer auch auf das Gesicht an, ob die Person positiv oder negativ beurteilt wird." Rothaarige Frauen gelten dann entweder als temperamentvoll und rassig oder als unbeherrscht und nervös.

Blonde Frauen würden hingegen im Allgemeinen als attraktiv beurteilt. Nur der klassische Blondinentyp - Frau mit guter Figur, jugendlicher Ausstrahlung und hellblonden längeren Haaren - besitzt ein schlechtes Image. Blondinen werden laut Henss für naiv und dumm gehalten.

Auch Glatzenträger müssen mit Vorurteilen rechnen. "Man traut ihnen nicht zu, dass sie Erfolg bei Frauen haben. Dafür werden Glatzköpfige eher für treue Familienväter gehalten, die Kinder lieben", sagt Henss. Auf die Beurteilung der Intelligenz habe eine Glatze dagegen keinen Einfluss.

Grundsätzlich gilt, dass Bewertungen im Schnellverfahren kaum dazu geeignet sind, einen Menschen wirklich zu erkennen. Sie lassen sich jedoch auch nicht einfach willentlich abstellen. Wer die gängisten Vorurteile kennt, kann aber zumindest versuchen, Menschen mit diesen Merkmalen einen zweiten Blick zu schenken.