Entscheidung über EKD-Ratsvorsitz Bischöfin Käßmann hat es fast geschafft

Ulm (RP). Die hannoversche Landesbischöfin erzielte bei der Ulmer Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland das mit Abstand beste Ergebnis der Ratswahlen. Ihre Wahl zur Ratsvorsitzenden heute gilt damit als so gut wie sicher – auch weil Käßmann aus ihren Fehlern gelernt hat.

Ulm (RP). Die hannoversche Landesbischöfin erzielte bei der Ulmer Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland das mit Abstand beste Ergebnis der Ratswahlen. Ihre Wahl zur Ratsvorsitzenden heute gilt damit als so gut wie sicher — auch weil Käßmann aus ihren Fehlern gelernt hat.

Die Zahl war noch gar nicht genannt, da deutete sich schon an: Das wird ein klares Ergebnis. Als Elke König, Mitglied des Präsidiums der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), gestern in Ulm die ersten Ergebnisse der Wahlen zum EKD-Rat verkündete, da machte sie eine kurze Pause, bevor Margot Käßmanns Name an der Reihe war. Und das "Margot Käßmann" selbst intonierte König so nachdrücklich, dass die Zahl von 103 Stimmen keine Überraschung mehr war. Käßmann hatte schon im ersten Wahlgang die erforderlichen zwei Drittel der Kirchenparlamentarier überzeugt — als einzige und mit riesigem Vorsprung vor allen anderen.

Heute bestimmt die EKD-Synode aus dem Kreis der 15 Ratsmitglieder den Vorsitzenden. Es wäre eine Sensation, wenn es nicht Margot Käßmann würde. Zu eindeutig war ihr Erfolg gestern, zu klar die Willensäußerung der Synodalen. Die Synode habe Käßmann den Rücken gestärkt und so geholfen, jede Diskussion um einen Richtungsstreit im deutschen Protestantismus zu vermeiden, sagte der rheinische Präses Nikolaus Schneider unserer Zeitung: "Das ist eine weise Entscheidung."

Der ehemalige Ratsvorsitzende Klaus Engelhardt scherzte nach der ersten Runde, jetzt beginne die Wahl erst richtig. In der Tat war in Ulm das Gerücht zu hören (und wurde auch von prominenten Kirchenparlamentariern nicht abgestritten), die erste Abstimmung sei ein reines Käßmann-Referendum gewesen — so hätten die Synodalen aus dem Süden sich verabredet, lieber für sie als für ihre eigenen Bischöfe zu stimmen, um ein unwiderstehliches Signal für die Hannoveranerin zu setzen.

Das würde erklären, warum die vor der Synode als aussichtsreiche Käßmann-Rivalen gehandelten Landesbischöfe Johannes Friedrich (Bayern), Ulrich Fischer (Baden) und Frank Otfried July (Württemberg) zunächst so schwach abschnitten. Friedrich und Fischer kamen erst in der vierten Runde durch, July war am Abend immer noch nicht gewählt.

Mit ihren leitenden Geistlichen ging die Synode nicht besonders pfleglich um. Die Ausnahmen: Käßmann und der allseits geschätzte rheinische Präses Nikolaus Schneider, der es schon im zweiten Wahlgang mit 99 Stimmen in den Rat schaffte. Schneider sagte danach, er freue sich "auf die Zusammenarbeit mit Margot Käßmann". Das konnte man als Vorab-Gratulation an die Bischöfin verstehen; Schneider wollte dem gegenüber unserer Zeitung auch gar nicht widersprechen.

Der neue Rat ist arm an profilierten aktiven Politikern - der designierte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hatte schon am Montag seine Kandidatur zurückgezogen; einzig die grüne Synoden-Präses Katrin Göring-Eckardt sitzt als aktive Politikerin und frisch wiedergewählte Bundestagsvizepräsidentin im Rat. Gescheitert sind die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD), die mit einstelligen Ergebnissen in Serie gedemütigt wurde und nach dem vierten Wahlgang aufgab. Auch die ehemalige Bauministerin Irmgard Schwaetzer (FDP) fiel durch. Markus Meckel (SPD), ehemaliger DDR-Außenminister und just ausgeschiedener Bundestagsabgeordneter, wurde von der Synode nach dem dritten Wahlgang nominiert, erhielt aber immer weniger Stimmen und zog am späten Abend seine Kandidatur zurück.

Neben allen Personaldebatten gab es in Ulm auch harte Zahlen: Der Mitgliederschwund der EKD beschleunigt sich. Im vergangenen Jahr habe es rund 160 000 Austritte gegeben, sagte EKD-Finanzchef Thomas Begrich. Das wären rund 30 000 mehr als 2007. Vor allem zum Ende des Jahres habe es deutlich mehr Austritte gegeben — auch aufgrund der Änderungen im Steuerrecht. Weil die Banken die Kirchensteuer auf Kapitalerträge direkt abführen dürfen, sei der Eindruck einer neuen Steuer entstanden. Dennoch lägen die jährlichen Austrittszahlen nur halb so hoch wie zu Beginn der 90er Jahre. Die EKD zählt noch 24,7 Millionen Mitglieder.

Nun hat Margot Käßmann alle Chancen im zweiten Anlauf als erste Frau zur Repräsentantin dieser evangelischen Kirche gewählt zu werden. Sie wurde 1958 in Marburg geboren, hat vier Töchter, ist seit zehn Jahren Bischöfin in Hannover, eine eher konservative Lutheranerin, Liebling der Medien und geschieden. In Ulm hat sie keine Fehler gemacht — obwohl sie, wie sie in kleiner Runde eingestand, nervös gewesen sei vor ihrer Bewerbungsrede. In ihrer Vorstellung zitierte sie den Apostel Paulus: "Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet."

Dieser Paulus hat auch geschrieben, er rühme sich seiner Schwachheit. Käßmann hat ihm darin nachgeeifert, ganz demütig allerdings und ganz anders als vor sechs Jahren, als sie der Synode zu selbstbewusst aufgetreten war. Sie hat in ihrer Ulmer Rede davon gesprochen, wie dankbar sie der EKD sei für die ihr gebotenen Chancen, davon, wie sehr Teamgeist in der Kirchenleitung Not tue, und davon, dass sie ihre Ehe nach 26 Jahren nicht erhalten konnte. Käßmann hat gelernt. Heute wird sie aller Voraussicht nach dafür belohnt.

(RP)
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