Kritik wegen Stasi-Akten von Kurras Birthler nennt Vorwürfe "rätselhaft"

Berlin (RPO). Die Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde, Marianne Birthler, hat die Anschuldigung zurückgewiesen, die Aufklärung der Westarbeit der Stasi zu vernachlässigen. Solche Vorwürfe seien "erstaunlich" und "rätselhaft", sagte Birthler am Dienstag bei der Vorstellung ihres Tätigkeitsberichtes in Berlin.

 Marianne Birthler gibt ihr Amt im März 2011 auf.

Marianne Birthler gibt ihr Amt im März 2011 auf.

Foto: ddp, ddp

Die Machenschaften des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit im Westen hätten immer einen "hohen Stellenwert" in ihrem Haus gehabt. Zugleich betonte Birthler: "So wichtig die West-Themen sind", es seien nicht die einzigen, die die Behörde zu bearbeiten habe.

Auch im Fall des früheren West-Berliner Polizisten Karl-Heinz Kurras wehrte sich Birthler erneut gegen Kritik. Die Akte des Todesschützen von Benno Ohnesorg wäre "verfügbar" gewesen, sei aber von niemandem angefordert worden, auch nicht von Autoren einschlägiger Publikationen zu dem Fall. "Ich werfe denen das nicht vor", betonte Birthler. Schließlich hätte man zunächst auf die Idee kommen müssen, dass solche Verstrickungen vorhanden gewesen seien.

Ein Zufallsfund in der Birthler-Behörde hatte vor wenigen Tagen ergeben, dass Kurras seit 1955 mit der Stasi zusammenarbeitete und seine Auftraggeber über Jahre hinweg mit Interna der West-Berliner Polizei versorgt haben soll. Kurras hatte den Studenten Ohnesorg am 2. Juni 1967 am Rande einer Demonstration gegen den persischen Schah erschossen.

Die Birthler-Behörde hat nach eigenen Angaben 2007 über 100.000 Anfragen von Privatpersonen bearbeitet. 2008 seien es 87.000 gewesen. In den ersten Monaten des laufenden Jahres habe die Zahl der Anträge monatlich bei über 10.000 gelegen. Auch bei den Anfragen von Journalisten und Wissenschaftlern habe die Behörde in den vergangenen Jahren Zuwächse verzeichnet.

Keine Akten zum Dutschke-Attentäter

Über den Dutschke-Attentäter Josef Bachmann liegen der Stasi-Akten-Behörde derweil keine Unterlagen vor. "Es gibt zu Bachmann keine IM-Akte", sagte Behördenleiterin Marianne Birthler am Dienstag bei der Vorstellung ihres Tätigkeitsberichts für die vergangenen beiden Jahre in Berlin. Es sei bereits gezielt nach Akten über Bachmann gesucht worden, weil entsprechende Forschungsaufträge vorlagen. Hinweise über eine inoffizielle Mitarbeit Bachmanns für die Stasi seien dabei nicht gefunden worden.

Der Sohn des 1968 angeschossenen und 1979 an den Spätfolgen des Attentats gestorbenen Studentenführers Rudi Dutschke, Marek Dutschke, hatte die Birthler-Behörde zuvor aufgerufen, Klarheit über Bachmann zu schaffen. Sein Vater habe vermutet, dass das DDR-Ministerium für Staatssicherheit hinter dem Anschlag auf ihn gesteckt habe, sagte Marek Dutschke laut "Bild"-Zeitung. Dies gehe aus einem Brief hervor, den Rudi Dutschke seiner Frau hinterlassen habe.

"Die DDR, so mein Vater, habe damals gefürchtet, dass der antiautoritäre Sozialismus, für den Rudi stand, auf den anderen Teil Deutschlands überschwappen könnte", erklärte Marek Dutschke. "Ist es möglich, dass auch der Attentäter Josef Bachmann ein Stasi-Mann war?"

Auch der Sohn des 1977 von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, Michael Buback, verlangte entsprechende Nachforschungen in Bezug auf den Tod seines Vaters. "Ich habe schon als Junge gedacht, meinen Vater holt mal die Stasi", sagte Buback der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". "Mein Vater hat sich sein Arbeitsleben lang mit Landesverrat und Spionage befasst. Wenn man ihm ans Leder wollte, dann deshalb."

(DDP)
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