Bildungsbericht 2010 Bildungssystem steht vor radikalem Umbau

Berlin (RPO). Das Bildungssystem in Deutschland steht vor einem radikalen Umbau. Die Zahl der Schüler wird als Folge des demografischen Wandels in den kommenden 15 Jahren um knapp 19 Prozent auf 7,3 Millionen sinken, wie aus dem am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Nationalen Bildungsbericht 2010 hervorgeht. Um einen Facharbeitermangel vorzubeugen, müsse vor allem der Bereich der beruflichen Weiterbildung ausgebaut werden, empfehlen die Bildungsexperten.

Bildungsstreik: Die Demo in Düsseldorf im Mai 2010
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Die Gesamtzahl der Bildungsteilnehmer wird sich der Prognose zufolge bis 2025 um 15 Prozent auf 14,1 Millionen verringern. Dabei werde es große regionale Unterschiede geben: Während die Zahl der Bildungsteilnehmer in Ballungsräumen und Großstädten zunehme, werde sie im ländlichen Raum abnehmen, heißt es weiter. Vor allem hier werde es deswegen notwendig sein, Bildungsbereiche zu verzahnen, um Einschnitte im Bildungsangebot zu vermeiden.

Der dritte Bildungsbericht wurde im Auftrag von Kultusministerkonferenz und Bundesbildungsministeriums von einer unabhängigen Wissenschaftlergruppe erstellt. Der Bericht erscheint alle zwei Jahre.

Nachqualifizierung nötig

Um diese Herausforderungen zu meistern, müsse das Bildungssystem reformiert werden, erklärten die Experten. So müsse zum einen die frühkindliche Bildung und Betreuung verstärkt ausgebaut werden. In Schulen müssten die Förderangebote verbessert werden. Nur so könnte das Ziel einer Halbierung des Anteils der Schulabsolventen ohne Hauptschulabschluss erreicht werden. Dringend nötig sei auch die Nachqualifizierung junger Erwachsener, die im letzten Jahrzehnt keinen Ausbildungsabschluss erreicht hätten, um nicht auf der einen Seite Fachkräftemangel und auf der anderen Arbeitslosigkeit zu haben.

Zudem müssten die Bildungsteilnehmer über den gesamten Lebenslauf qualifiziert werden, hieß es weiter. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft werde mit davon abhängen, dass auch sozial Benachteiligte und Menschen mit Migrationshintergrund bessere Bildungschancen bekämen.

Dem Bericht zufolge hängt Bildung noch immer stark von der sozialen Herkunft ab. Problematisch sei auch, dass ein Drittel der Kinder mit Migrationshintergrund Kindergärten besuche, in denen mehr als die Hälfte der Kinder zu Hause nicht Deutsch spreche. Ausländische Schüler besuchten besonders häufig Förder- und Hauptschulen und bekämen häufiger gar keinen Abschluss. Sie hätten besonders große Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu finden.

SPD, Grüne und DGB unzufrieden

Kritik an den Ergebnissen kam von Grünen, SPD und Gewerkschaften. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, der Bericht zeige, "dass unser Land bildungspolitisch radikal umsteuern muss". Eine Demokratie stehe auf tönernen Füßen, wenn ein erheblicher Teil der Heranwachsenden systematisch von guter Bildung und der Chance zum sozialen Aufstieg ausgeschlossen bleibe.

Der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Ernst Dieter Rossmann, sagte, die Demografie werde die negativen Folgen der sozialen Selektivität des Bildungssystems verstärken und gefährde den notwendigen Fachkräftenachwuchs.

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock erklärte: "Die soziale Spaltung bleibt das größte Problem." Die Zahl der jungen Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung steige, bei der Senkung der Zahl der Schulabbrecher seien die Fortschritte kaum messbar. Das Deutsche Studentenwerk bezeichnete die Ergebnisse als "in höchstem Maße alarmierend".

(APN/felt)
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