Nach Tötung von früherer Schulfreundin BGH kippt Urteil im "Jessica-Prozess"

Karlsruhe (RPO). Das Urteil im Nürnberger "Jessica-Prozess" hat keinen Bestand. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hob am Dienstag die Verurteilung der Angeklagten wegen Totschlags auf.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte im Juli 2010 die heute 29-jährige Frau wegen Tötung ihrer einstigen Schulfreundin Jessica P. zu 14 Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Ihr droht nun in einem neuen Verfahren die Verurteilung wegen Mordes und damit eine lebenslange Haftstrafe.

Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagte ihr Opfer Jessica P. im Juni 2008 mit mehr als 40 Stichen getötet hatte. Die Angeklagte hatte zuvor mit der EC-Karte der Eheleute P. insgesamt 7.000 Euro vom Konto des Paares abgeräumt und Unterschriften gefälscht. Sie wurde wegen Totschlags, Betrugs und Urkundenfälschung verurteilt.

Die dagegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft, die die Tat als "Verdeckungsmord" bewertet, hatte nun Erfolg. Aus Sicht des BGH hat das Landgericht nicht ausreichend geprüft, ob Denise R. tötete, um ihre anderen Straftaten der Urkundenfälschung und der unberechtigten Geldabhebungen zu verdecken.

Die Revision der Angeklagten, die einen Freispruch erhofft hatte, wurde verworfen. Die Sache muss nun von einer anderen Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth neu verhandelt werden.

Den gerichtlichen Feststellungen zufolge hatte die angeklagte dreifache Mutter auf nicht näher geklärte Weise eine EC-Karte für das gemeinsame Konto von Jessica P. und deren Ehemann an sich gebracht. In der Folge fälschte sie Überweisungsaufträge, gab sich bei der betroffenen Bankfiliale als Jessica P. aus und ließ sich von deren Konto 7.000 Euro auszahlen. Als ihre Freundin Verdacht schöpfte, kam es in Jessicas Wohnung in Erlangen zu einem Streit zwischen beiden Frauen, bei dem Denise R. ihr Opfer auf brutale Weise erstach.

Richter: Das war ein Verdeckungsmord

Das Landgericht sah eine "Spontantat" aus Wut und erkannte auf Totschlag. Der Vorsitzende Richter des 1. Strafsenats des BGH, Armin Nack, sagte hingegen: "Nach dem ersten Lesen des Landgerichts-Urteils hatte ich den Eindruck: Wenn das kein Verdeckungsmord ist, weiß ich nicht mehr, was ein Verdeckungsmord ist."

Der BGH folgte nun der Bundesanwaltschaft, die die Revision der Staatsanwaltschaft vertreten hatte. Die Bundesanwaltschaft hatte am Dienstag betont, das Landgericht habe sich nicht ausreichend mit dem äußerst aussagekräftigen Verhalten der Angeklagten vor und nach der Tat auseinandergesetzt. Dieses lege "fast zwingend nahe, dass sie mit Verdeckungsabsicht gehandelt hat".

Dass Denise R. - wie es das Landgericht meinte - vor allem aus Wut gehandelt habe, sei eine reine Vermutung. Der Verteidiger der 29-Jährigen hatte vor dem BGH betont, seine Mandantin bestreite die Tat nach wie vor. Wenn die 29-Jährige die Tat doch begangen haben sollte, sei von einer "Blutrauschtat" auszugehen. Sie habe die Tat auf keinen Fall von Anfang an geplant. Sie habe beispielsweise die Tatwaffe nicht mitgebracht, sondern das Küchenmesser aus dem Messerblock in der Küche von Jessica P. gezogen.

Der Fall hatte auch dadurch Aufsehen erregt, dass die Angeklagte kurz nach der Verurteilung durch das Landgericht im Juli 2010 versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Sie leidet den Angaben zufolge an einer Persönlichkeitsstörung. Schon in den Jahren vor der Tat hatte sie drei Suizidversuche unternommen.

(AZ: 1 StR 50/11 - Urteil vom 17. Mai 2011)

(DAPD/felt)
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