Nach Konferenz in Berlin Polizei ermittelt wegen Verdachts auf Vergiftung von Exil-Russinnen

Berlin · Nach einer Konferenz in Berlin ermittelt die Polizei wegen des Verdachts auf Vergiftung zweier russischer Exil-Journalistinnen. Eine der Frauen berichtet von „seltsamen Symptomen“ und „akuten Schmerzen“. Vieles ist noch unklar.

 Eine der betroffenen Frauen hatte sich in die Charité in Behandlung begeben. (Archiv)

Eine der betroffenen Frauen hatte sich in die Charité in Behandlung begeben. (Archiv)

Foto: dpa/Christophe Gateau

Die Frauen hatten Ende April an einer Konferenz des russischen Kreml-Kritikers Michail Chodorkowski in der Bundeshauptstadt teilgenommen. Ein Polizeisprecher bestätigte am Sonntag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters, dass aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse ein „Vorgang angelegt“ worden sei. Wie bereits zuvor die „Welt am Sonntag“ berichtet hatte, ist der polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes Berlin zu den Vergiftungserscheinungen der Journalistinnen eingeschaltet worden.

Weitere Angaben machte das Landeskriminalamt mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht. Laut „WamS“ hatte das russische Portal „Agentstvo“ zuvor über Gesundheitsprobleme zweier Konferenzteilnehmerinnen berichtet. Darin heißt es auch, dass die Symptome einer Betroffenen bereits vor der Konferenz am 29. und 30. April aufgetreten sein könnten. In Berlin habe sie sich dann in die Berliner Klinik Charité begeben. Bei der zweiten Frau handele es sich um die Leiterin der Free Russia Foundation, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in den USA. Sie hatte ihren Fall nach dem Medienbericht öffentlich gemacht. Auf Facebook berichtete sie von „seltsamen Symptomen“ und einem „akuten Schmerz“, geblieben sei ein Taubheitsgefühl.

Vermutung weckt Erinnerungen an Nawalny

Sie äußerte laut „WamS“ die Vermutung, sie sei „möglicherweise durch einen Nervenkampfstoff, der von einem westlichen Geheimdienst untersucht wurde“, vergiftet worden. Auf Anfrage verwies die Dissidentin auf Ermittlungen des FBI in ihrer Wahlheimat USA, in die sie nach ihrem Europa-Aufenthalt zurückgekehrt war.

In den vergangenen Jahren kam es zu mehreren Giftanschlägen auf russische Regimegegner in In- und Ausland. Zuletzt machte vor einigen Jahren der Fall des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny Schlagzeilen: Er war im August 2020 auf einem innerrussischen Flug zusammengebrochen. Zunächst wurde er in Russland behandelt, dann in die Berliner Charite verlegt. Dort wurde eine Vergiftung mit einem Nervengift festgestellt. Die Regierung in Moskau hat Vorwürfe zurückgewiesen, russische Behörden hätten versucht, ihn zu töten.

Nawalny wurde im Januar 2021 bei der Rückkehr aus Deutschland in seine Heimat festgenommen und wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen und Betrug verurteilt. Er ist seitdem im Gefängnis.

(csi/Reuters)
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