Worüber Deutsche streiten Bagatellen vor Gericht

Düsseldorf (RP). Der beim Amtsgericht Grevenbroich verhandelte Torwarttraining-Prozess rückt die Bedeutung von Vorab-Streitschlichtung in den Blick. Sie ist in NRW aber nur bei bestimmten Streitereien zwingend.

Kuriose Fälle vor Gericht
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Foto: ddp

Vor zehn Jahren sorgte der legendäre, schließlich von TV-Witzbold Stefan Raab vertonte Nachbarschafts-streit um einen sächsischen Maschendrahtzaun für Belustigung und Kopfschütteln über extreme Streithanselei. In einem anderen Fall klagte beim Amtsgericht München ein Rechtsanwalt gegen den Veranstalter von Fahrten mit einer historischen Dampf-Lokomotive. Das Klageziel lautete: Rückzahlung der Hälfte des Kaufpreises einer Konzertkarte. Der Kläger hatte nämlich das Musikereignis verpasst, weil die Dampflok sehr unpünktlich war. Der Streitwert betrug 14,40 Euro. Die Klage wurde abgewiesen, weil nach Ansicht des Richters bei der Fahrt mit einer historischen Lokomotive nicht Pünktlichkeit, vielmehr der Erlebnis-Charakter der Tour einschließlich Foto-Stops im Vordergrund stehen sollte.

Der Düsseldorfer Schiedsmann Falk Jansen weiß aus 20 Jahren ehrenamtlicher Streitschlichtungs-Arbeit, dass so genannte Bagatellfälle wie die aus Sachsen und München oder jener aktuelle aus Grevenbroich, der bundesweit für Aufsehen sorgte und über den gestern berichtet wurde ("Streit um Fußballtraining"), leider oft bei den Gerichten landen. Die haben wegen chronischer Überbeanspruchung eigentlich Wichtigeres zu tun, als Kinkerlitzchen zu entscheiden.

Schiedsmann Jansen, eine von 20 Schiedspersonen, die vom Rat der Stadt Düsseldorf gewählt und vom Direktor des Amtsgerichts vereidigt werden, hätte den Grevenbroicher Eltern und Sportklub-Mitgliedern, die für ihren siebenjährigen Sohn andere Trainingsmöglichkeiten erstreiten wollten, ein Schiedsverfahren dringend empfohlen. Das Problem ist jedoch, dass die klagenden Eltern nach dem NRW-Gütestellen- und Schlichtungsgesetz nicht dazu verpflichtet waren, also das Amtsgericht sofort in Anspruch nehmen durften.

Obligatorisch ist der Gang zur Schiedsstelle nur in drei Streit-Kategorien: Nachbarschaftsrecht, Ehrverletzungen und, neuerdings, Gleichbehandlungsverstöße. Früher mussten in NRW auch vermögensrechtliche Streitsachen bis zur 600-Euro-Grenze erst zur vorgeschalteten Schiedsperson. Knapp 60 Prozent der Streitschlichtungs-Bemühungen sind erfolgreich. Bei Vermögensstreit hat sich jedoch die Schlichtung nicht bewährt, deshalb können um Geld streitende Parteien zur Schiedsperson, sie müssen es aber nicht mehr.

Schiedsmann Jansen, der für einen bestimmten Bezirk der NRW-Landeshauptstadt zuständig ist, erzählt über die gängigsten Streitereien, die er allesamt ernst nimmt, auch wenn es sich — objektiv betrachtet — um Lappalien handelt. Am häufigsten streiten sich Nachbarn über Bäume, die zuviel Schatten werfen, über Hecken, die wuchern, über Lärm und Gestank vom Grundstück nebenan.

Sehr oft landen zudem Ehrverletzungs-Angelegenheiten bei der Schiedsstelle. Jansen nennt Beispiele: Auf einer Party kommt es zum Streit. Jemand ohrfeigt einen Gast, oder es fallen beleidigende Ausdrücke. Bevor derjenige, der wegen des üppigen Nachbar-Baums keine Sonne auf der Terrasse hat, oder der geohrfeigt beziehungsweise mit einem unflätigen Ausdruck bedacht wurde, das Gericht bemüht, muss er zwingend zur Schiedsperson des Bezirks, in dem der Beschuldigte seinen Wohnsitz hat. Erst wenn die Verständigungsbemühungen der Schiedsperson erfolglos bleiben, stellt diese eine Erfolglosigkeits-Bescheinigung aus. Diese ist die Voraussetzung für die Klage beim Amtsgericht.

Erzielt die Schiedsperson eine gütliche Einigung, wird das protokolliert. Der Antragsteller erhält einen vollstreckbaren Titel, mit dessen Hilfe er beispielsweise auch tatsächlich durchsetzen kann, dass der störende Baum auf Nachbars Grund gestutzt wird.

(RP)
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