Ausschreitungen in Stuttgart Laut Polizei stammen Hunderte Randalierer aus der Partyszene

Stuttgart · Nach Angaben der Polizei haben sich 400 bis 500 Personen an den Ausschreitungen auf dem Stuttgarter Schlossplatz beteiligt. 200 bis 300 Personen sollen aus der Partyszene stammen und die Beamten vor Ort mit Steinen und Flaschenwürfen angegriffen haben.

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Randalierer zerstören Geschäfte in Stuttgart

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Foto: dpa/Julian Rettig

Die Polizei habe gegen 23.30 einen 17-jährigen Deutschen im Schlossgarten wegen eines mutmaßlichen Drogendelikts kontrolliert, sagte Polizeivizepräsident Thomas Berger am Sonntag in Stuttgart. Sofort hätten sich 200 bis 300 Personen aus der Partyszene mit dem Jugendlichen solidarisiert und die Beamten vor Ort mit Steinen und Flaschenwürfen angegriffen.

Auf dem Schlossplatz hätten sich noch mehr beteiligt, die Gruppe sei auf 400 bis 500 Personen gewachsen. 24 Personen seien vorläufig festgenommen worden. Man sei noch mitten in den Ermittlungen.

„Die Situation ist völlig außer Kontrolle“, kommentierte ein Polizeisprecher am frühen Sonntag die Ereignisse. Die erste Bilanz der Polizei: 19 Beamte sind verletzt worden - einer davon sei dienstunfähig. Die Zahl könne sich noch erhöhen, da die Beamten im Einsatz sich oft erst später mit Verletzungen meldeten, sagte Polizeivizepräsident Thomas Berger am Sonntag bei einer Pressekonferenz im Stuttgarter Rathaus. In der Nacht seien insgesamt 24 Personen vorläufig festgenommen worden.

Mindestens sieben der 24 vorläufig Festgenommenen sollen dem Haftrichter vorgeführt werden. Von den vorläufig Festgenommenen seien sieben unter 18 Jahren und sieben zwischen 18 und 21 Jahre alt. 12 der 24 seien deutsche Staatsbürger, die anderen Nicht-Deutsche.

Die Krawalle begannen laut Polizei gegen Mitternacht. Während einer Kontrolle anlässlich eines Drogendelikts hätten sich viele Feiernde gegen die Polizisten solidarisiert, teilten die Beamten mit. Junge Männer, viele von ihnen vermummt, zogen randalierend durch die Straßen in Richtung Schlossplatz.

Im Internet dokumentieren zahllose Videos das Ausmaß der Gewalt. Die Krawallmacher schmeißen Pflastersteine auf vorbeifahrende Polizeiautos, schlagen Schaufenster auf der Stuttgarter Shoppingmeile ein und plündern Geschäfte. Auf einem Videoclip ist zu sehen, wie ein vermummter Mann einem knienden Polizisten mit Anlauf und mit beiden Beinen von hinten in den Rücken springt. Er stürzt, die Zuschauer johlen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sprach am Sonntag von einem „brutalen Ausbruch von Gewalt“. „Diese Taten gegen Menschen und Sachen sind kriminelle Akte, die konsequent verfolgt und verurteilt gehören“, teilte der Grünen-Politiker mit. „Die Bilder aus der Stuttgarter Innenstadt können uns nicht kalt lassen.“ Nun müsse man die Erkenntnisse zusammentragen und mit Hochdruck klären, wer dahinter stecke.

Die Polizei sprach von mehreren hundert Menschen, die in Kleingruppen unterwegs gewesen seien. Mehr als 200 Beamte aus dem Stuttgarter Umland wurden vorübergehend in die Landeshauptstadt beordert, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Polizeihubschrauber flogen über die Stadt. Die Polizei bittet nun Zeugen um Mithilfe bei den Ermittlungen - zur Aufklärung der Straftaten benötige man Bilder und Videos von den Ausschreitungen, Straftaten und mutmaßlichen Tatverdächtigen. Zur Sicherheit blieb die Polizei auch am Sonntag mit einem Großaufgebot in der Innenstadt präsent.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) kündigte an, mit der vollen Härte des Rechtsstaats gegen die Randalierer vorgehen zu wollen. „Die Ausschreitungen, die wir in der Nacht in Stuttgart erleben mussten, waren von einer in Baden-Württemberg bisher noch nie da gewesenen Qualität“, sagte Strobl. Am Polizeipräsidium Stuttgart sei eine 40-köpfige Ermittlungsgruppe eingerichtet worden, das Landeskriminalamt werde die Ermittlungen unterstützen. Strobl will den Landtag am Mittwoch in einer Sondersitzung des Innenausschusses unterrichten.

Auch wenn die genauen Hintergründe noch unklar sind, führten die Ausschreitungen in der Schwabenmetropole bereits zu hitzigen politischen Debatten. Die Deutsche Polizeigewerkschaft in Baden-Württemberg, aber auch Stimmen aus CDU und AfD kritisierten etwa SPD-Bundeschefin Saskia Esken für ihre Äußerungen über einen „latenten Rassismus“ bei der Polizei, für die sie teils auch aus den eigenen Reihen viel Kritik einstecken musste. Zwischenzeitlich hatte Esken ihre Äußerungen relativiert. Die SPD-Chefin selbst kritisierte am Sonntag auf Twitter die „sinnlose, blindwütige Randale“ in Stuttgart. Die Gewalttäter müssten und hart bestraft werden. „Unbegreiflich, wie die Situation derart eskalieren konnte.“

(felt/dpa)
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