Beitrag in Oktoberfest-Portal Tipps für Homosexuelle auf dem Oktoberfest sorgen für Aufregung - Stadt München reagiert

München · Knapp drei Monate vor Start des Oktoberfests in München sorgen angebliche Tipps für Homosexuelle für Aufsehen. Der Vorwurf: Sie sind queerfeindlich. Worum es geht, wie sich die Münchener Politik sowie Stadt dazu positionieren und wie der Betreiber des Portals auf die Kritik reagiert.

Ein Beitrag in einem Oktoberfest-Portal empfiehlt Homosexuellen auf der Wiesn aufgrund mangelnder Toleranz der Besucher besser nicht zu flirten.

Ein Beitrag in einem Oktoberfest-Portal empfiehlt Homosexuellen auf der Wiesn aufgrund mangelnder Toleranz der Besucher besser nicht zu flirten.

Foto: dpa/Tobias Hase

Im Zentrum der Debatte steht die privat betriebene Website oktoberfestportal.de. Diese informiert Interessierte ausführlich über alles Wissenswerte zum Münchener Oktoberfest: egal ob Anfahrt, Lageplan, Geschichte, Zahlen, Trachten, Mahlzeiten oder Tipps für München generell. 2022 findet das Oktoberfest in München vom 17. September bis zum 3. Oktober statt. Auch für Schwule und Lesben gibt es auf der Unterseite „Rosarot“ Tipps für die Wiesn. Ein seit Jahren bestehender Beitrag sorgt dabei immer wieder für Diskussionen. So auch dieses Jahr, nachdem die Wiesn aufgrund der Corona-Pandemie die letzten zwei Jahre nicht stattfinden konnte. Doch worum geht es genau?

Zurückhaltung aufgrund mangelnder Toleranz empfohlen

Auf einer Unterseite des Oktoberfest-Portals, bei dem es sich nicht um eine offizielle Website der Stadt handelt, werden in einem FAQ (= häufig gestellte Fragen) für „schwule Wiesn-Gänger“ vier Fragen beantwortet. Dabei geht es zunächst um die Frage, ob queere Menschen auf dem Oktoberfest flirten dürften. Die Antwort sorgt für Aufregung, weil Homosexuellen empfohlen wird, ihre sexuelle Orientierung nicht zu deutlich zu zeigen. Konkret heißt es: „Generell gilt eine gewisse Zurückhaltung auf der Wiesn.“ Begründet wird diese Empfehlung mit der Behauptung, dass nicht alle Besucher des Oktoberfestes tolerant gegenüber Homosexuellen seien. So heißt es: „Nicht jeder Besucher des Oktoberfestes ist so tolerant, dass er sich über schwule Männerpaare freuen kann.“ Und weiter: „Nicht alle Wiesengänger haben Verständnis für eine offene schwule oder lesbische Lebensweise.“ Die in Frage stehenden Tipps auf den Seiten des Oktoberfest-Portals sollen nach Recherchen des „Münchner Merkur“ von dem schwulen Journalisten und Aktivisten Bernd Müller aus München stammen. Im Gespräch mit der "tz" sagte er, dass er den Text mittlerweile zwar vorsichtiger formulieren würde. Das ändere aber nichts an seiner Meinung: „Man kann sich auf der Wiesn nicht auf die Toleranz der Besucher verlassen!“ Vor allem wenn Alkohol im Spiel sei, sinke die Hemmschwelle für Übergriffe. Doch müssen sich Homosexuelle auf der Wiesn wirklich verstecken?

Politiker erleben Oktoberfest als toleranten Ort

Anja Berger (Grüne) ist seit 2020 Wiesn-Stadträtin in München. Das Amt heißt eigentlich Verwaltungsbeirat für Veranstaltungen des Referats für Arbeit und Wirtschaft. Wer das Amt innehat, fungiert als Bindeglied zwischen den Wirten und Schaustellern des Oktoberfests und der Stadtverwaltung. Die „tz“ hat mit Anja Berger über den fraglichen Beitrag im Oktoberfestportal gesprochen. Im Gespräch wurde deutlich, dass sie wenig von den Tipps des Portals hält: „Ich halte die Tipps für völlig daneben und feindlich gegenüber der LGBTQ-Community“, sagt sie. Außerdem hat sie ein anderes Bild vom Oktoberfest als der Verfasser der Tipps: „Ich habe die Wiesn immer als sehr tolerant erlebt.“ Niemand müsse dort seine Sexualität verbergen. SPD-Stadtrat Christian Vorländer kann die angesprochene Problematik zwar verstehen, aber auch er hält die Tipps für unangebracht: „Ich schätze den Autor sehr, aber ich will mich auf der Wiesn wegen meiner Sexualität doch nicht verstecken.“ Vorländer und Berger setzen eher auf Prävention und wollen über Wiesn-Kampagnen nachdenken, um Homosexuelle besser zu schützen.

Stadt München distanziert sich von den Tipps

Auch die Stadt München äußerte sich mittlerweile zu den Wiesn-Tipps. Auf Anfrage unserer Redaktion erklärte sie: „Für die Stadt München steht [...] fest: Das Oktoberfest ist als größtes Volksfest der Welt ein Symbol für Weltoffenheit, Toleranz und Diversität. Dies sind Werte, zu denen sich die Landeshauptstadt München bekennt. Der Veranstalter der Münchner Wiesn hält Tipps, wie die des Oktoberfest-Portals, für einzelne Besuchergruppen für nicht angezeigt.“ Weiterhin gibt die Stadt an, dass das Oktoberfest seit vielen Jahren ein Treffpunkt für die LGBT-Community sei. Um diese Aussage zu stützen, führt sie folgende LGBT-Veranstaltungen an, die laut Stadt auf der Wiesn bereits „Kultstatus“ erreicht haben:

  • Sonntag, 18.09 Festzelt Bräurosl, der Münchener Löwen Club (MLC), ein schwuler Leder- und Fetischclub, habe 600 Plätze reserviert. Das Zelt werde am ersten Sonntag überwiegend von der LGBT-Community besucht
  • Montag 19.09 Festzelt Bräurosl, „Rosl-Montag“, inoffizieller Treffpunkt für die Community
  • Sonntag 25.09 Armbrustschützenzelt ab 17 Uhr „Proud Wiesn“ (neu)
  • Montag 26.09. Fischer Vroni, seit Jahren etablierter Treff

Doch wie reagiert eigentlich das Netz auf die Tipps des Oktoberfest-Portals?

Nutzer äußern sich seit Jahren kritisch

Nutzer im Web reagierten schon in der Vergangenheit entsetzt über die Tipps und teilten ihr Unverständnis darüber, warum dieser Inhalt nicht entfernt wird - damals wie heute.

Doch was sagen eigentlich die Betreiber des Oktoberfest-Portals zu den viel diskutierten und kritisierten Tipps?

Betreiber des Portals zeigen sich erfreut über lebendige Diskussion

Die Betreiber haben die Diskussion um den Eintrag mitbekommen und ein Statement auf der Unterseite veröffentlicht: „Wir freuen uns über jede Diskussionen, die durch unsere Webmagazine angeregt werden. Vor allem, wenn daran nun auch die schwul-lesbische Community teilnimmt. Genau so soll es sein! Eine lebendige Diskussion mit konträren Meinungen ist die Grundlage einer bunten Gesellschaft!“ Andererseits wurde zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen ein Disclaimer auf der Unterseite „Rosarot“ hinzugefügt: „Wer Probleme irgendeiner Art mit dieser Form der Lebensgestaltung hat, sollte diese Seite einfach wieder verlassen“, ist dort nun zu lesen.

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