Massenkarambolage auf der A 19 Aufräumarbeiten nach Unfall dauern an

Kavelstorf/Rostock (RPO). Die Aufraumarbeiten nach der Massenkarambolage in Mecklenburg-Vorpommern dauern an. Inzwischen ist eine Spur der A 19 wieder für den Verkehr freigegeben worden. Die Ermittler arbeiten derzeit noch an der Identifizierung der acht Toten, die bei dem Unfall am Freitag ums Leben kamen. 44 Verletzte wurden in Krankenhäuser eingeliefert. Zwei Opfer befinden sich in einem kritischen Zustand.

Massenkarambolage nach Sandsturm
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Auch mehr als 24 Stunden nach dem schwersten Verkehrsunfall in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns mit acht Toten sind die Spuren noch überall sichtbar. Dort, wo am Freitag mehr als 80 Autos ineinanderrasten und teilweise ausbrannten, hat die Hitze große Löcher in den Asphalt gebrannt. Auf einer Länge von 100 Metern ist der Zaun zum Feld eingerissen, die Leitplanke hat der Wucht zwar standgehalten, ist aber auch durch die Hitze verformt. "Bis Montag soll alles wieder frei sein", sagt ein Mann vom Straßenbauamt, das Schilder zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Unfallstrecke montieren lässt.

Vom verheerenden Sandsturm, der den Autofahrern am Freitagmittag plötzlich komplett die Sicht nimmt und die Fahrzeuge im Sekundentakt ineinanderkrachen lässt, ist am Samstag nichts mehr zu spüren. Der Wind weht zwar immer noch kräftig. Das Feld ist mittlerweile aber von Tankwagen so durchnässt und zerfurcht, dass kaum noch loser Sand aufwirbelt. Die vierspurige Fahrbahn jedoch ist mit einer rotbraunen Schicht bedeckt. Am Freitag hatte sich dieser Staub noch über ein Trümmerfeld aus Fahrzeugwracks gelegt, die Rettungsleute konnten nur mit Mundschutz und dichter Brille arbeiten.

Immer neue Glutnester

Die Bergungsarbeiten gestalteten sich nicht nur wegen der Sturmböen, der einbrechenden Nacht und des Sandes in der Luft als kraft- und nervenraubend. Immer wieder schwelten auch Autobrände auf, Glutnester wurden noch am Samstagvormittag an einem umgekippten Lkw entdeckt. Das Feuer sei das Schlimmste gewesen, sagt ein Feuerwehrmann.

Die Vorstellung, dass ineinander verkeilte Fahrzeuge Insassen den Fluchtweg versperrt haben und sie bei lebendigem Leib verbrannt seien, lässt ihn wie viele andere Helfer kaum los. Die Unfallbeteiligten, die sich ins Freie retten konnten, hatten noch mit Feuerlöschern versucht, die Brände zu ersticken. Vor einem zerstörten Auto lagen am Freitagabend noch vier leere Handfeuerlöscher, auf dem Fahrzeug selbst standen zwei rot-weiße Verkehrskegel, ein Zeichen für zwei tote Insassen. "Das darf man nicht an sich ranlassen", sagt der junge Mann am Samstag.

Opfer auch aus NRW

Derweil arbeiten Ermittler und Gerichtsmediziner immer noch an der Identifizierung der acht Toten. Sie seien alle aus den verbrannten Wracks von rund 30 Pkw und vier Lkw geborgen worden, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Rostock am Samstag. Insgesamt seien am Freitag 44 Verletzte in Krankenhäuser eingeliefert worden. Zwei befinden sich in einem kritischen Zustand. Sie werden zusammen mit einem weiteren Intensivpatienten in der KMG-Klinik in Güstrow behandelt, wie ein Krankenhaussprecher auf dapd-Anfrage sagte. Die meisten Betroffenen stammen aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin, aber es gab auch Opfer aus Nordrhein-Westfalen.

Die meisten verunglückten Fahrzeuge, von denen oft nicht mehr als ein Haufen Schrott übrig geblieben ist, stehen seit Samstag auf dem Hof eines Rostocker Abschleppunternehmens. Vier Autos hat die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt, um die möglichen Unfallverursacher zu ermitteln. Bei einem Unfall mit acht Toten und vielen Verletzten ergebe sich der Verdacht der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung, sagte Staatsanwältin Maureen Wiechmann am Samstag in Rostock.

Keine Ermittlungen gegen Landwirt

Gegen den Landwirt, der das naheliegende Feld vor dem angekündigten Sturm gepflügt hatte, werde nicht ermittelt. "Der Sandsturm war im Prinzip ein Naturereignis, sowas ist nicht vorhersehbar", sagte die Staatsanwältin. Vorrangig seien die Autofahrer selbst verantwortlich, sich auf solche Umweltsituationen einzustellen und dann nötigenfalls langsamer und mit größerem Abstand zu fahren.

Die Fahrbahn in Richtung Berlin kann schon am Samstagmittag wieder geöffnet werden, hier hatte keines der verunglückten Fahrzeuge gebrannt. In die Gegenrichtung sieht es anders aus. Auf 600 Quadratmetern muss die Betondecke komplett herausgefräst und erneuert werden, wie Eckmund Klein von der Autobahnmeisterei Kavelstorf erklärt.

Tempobeschränkung entlang der Unfallstelle

Ab Montag sollen die Unfallspuren beseitigt sein, so lange rollt der Verkehr zwar nach Berlin frei, aber mit deutlich geringerem Tempo. Bisher war die Geschwindigkeit freigegeben, jetzt wird sie auf 80 Kilometer pro Stunde reduziert. "Wir wollen im Moment einfach verhindern, dass neue Auffahrunfälle entstehen, weil die Autofahrer die Arbeiten auf der Gegenfahrbahn beobachten", sagt Manfred Rathert, zuständiger Abteilungsleiter beim Landesamt für Straßenbau und Verkehr. Dauerhaft sei diese Maßnahme allerdings vorerst nicht.

Solch ein Sandsturm, der auch laut der ermittelnden Staatsanwaltschaft als Naturereignis gilt, lasse sich nicht verhindern, sagt Rathert. "Wir können die Autobahn ja nicht einmauern." Eckmund Klein stimmt ihm zu: "Bei dem Sturm hätte uns auch eine Hecke nicht geholfen." Er vermutet, die Autofahrer seien zu schnell unterwegs gewesen.

Blumenkränze können am angrenzenden Feldweg abgelegt werden

Spurlos sind die Bilder der Massenkarambolage auch an den Straßenbauern nicht vorbei gegangen. "Auf der Autobahn selbst können wir zwar keine Möglichkeit zur Trauer schaffen, aber wir haben natürlich Verständnis dafür, wenn jemand Blumen oder Kerzen niederlegen möchte", sagt Rathert. Dies sei etwa an dem angrenzenden Feldweg hinter dem Wildzaun möglich.

Debatte um Tempolimits eröffnet

Mecklenburg-Vorpommerns Verkehrsminister Volker Schlotmann (SPD) sprach sich mit Verweis auf den Unfall für eine Debatte über Tempolimits aus. Zwar könne man nicht jeden Unfall durch Verkehrsregeln verhindern, doch man müsse über den Beitrag von Tempolimits zur Sicherheit reden, sagte er. Am Unfallort galt kein Tempolimit.

(apd/AFP/ndi)
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