Gastbeitrag von Anne Gesthuysen „Ich tue mich schwer mit dem Modell Hausmann“

Meinung | Düsseldorf · Die Journalistin und Buchautorin Anne Gesthuysen spricht über ihre Erfahrungen mit der Emanzipation. Ihren Job als Moderatorin des ARD-Morgenmagazin hat sie für die Familie aufgegeben - hier erklärt sie, warum.

 Anne Gesthuysen.

Anne Gesthuysen.

Foto: Monika Sandel

Am Weltfrauentag habe ich zum ersten Mal das ARD-Morgenmagazin moderiert. Zum Stand der Gleichberechtigung befragte ich eine namhafte Kollegin im Plauderton. Der Weltfrauentag gehörte für mich zur Rubrik „Unterhaltung“, so wie der „Weltkuscheltag“. Die Kollegin wirkte genervt. Und als ich die Notwendigkeit dieses Tages in Frage stellte, wurde sie wütend. „Solange Männer immer noch so“, sie machte eine Kunstpause, „hässlich zu uns sind, brauchen wir den Weltfrauentag.“ Ganz ehrlich? Ich habe gedacht, die tickt nicht richtig.

Ich bin entscheidende 15 Jahre jünger als diese Feministin. Und während sie den Kampf mit Alice Schwarzer geführt hat, bin ich in ein gemachtes Nest hineingeboren worden. Danke an alle Frauenrechtlerinnen, die auch für mich gekämpft haben, und Entschuldigung, dass ich Feminismus oft nicht ernst genommen habe.

Dabei hätte ich es besser wissen können. Mein Opa hat noch in den 80er Jahren gesagt: „Wat muss die Deern denn Abitur machen? Die soll lieber kochen lernen, sonst kriegt sie keinen Mann ab!“ Aber das habe ich als putzige Anekdote eines alten Mannes abgetan. Mein Opa war noch Patriarch, entschied über das Geld, darüber ob seine Frau einer Erwerbsarbeit nachgehen oder einen Führerschein machen durfte. Meine Eltern haben ebenfalls noch eine traditionelle Ehe geführt: Er bringt das Geld nach Hause, sie kümmert sich um die Kinder.

Für mich galt das nicht mehr. Selbstverständlich habe ich Abitur gemacht, selbstverständlich habe ich studiert, und selbstverständlich durfte ich mir einen Beruf aussuchen.

Internationaler Frauentag: Sie waren die Ersten in Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Kunst  und Sport
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Sie waren die Ersten in Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Kunst und Sport

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Foto: picture-alliance / dpa/Kurt Rohwedder

Heute können wir allein leben, wenn wir wollen, und arbeiten, was wir wollen. Die Gehälter sind zum Teil noch nicht gleich, aber gesellschaftliche Mühlen mahlen langsam: Seit 100 Jahren dürfen Frauen wählen, seit 70 sind sie im Grundgesetz gleichberechtigt, erst seit 40 Jahren ist das Hausfrauenmodell abgeschafft. Es braucht eine Generation, bis sich Neues in Köpfen verankert. Und damit sind nicht nur die Köpfe der Männer gemeint.

Längst haben Ökonomen herausgefunden, dass Unternehmen mit mindestens einer Frau in der Chefetage deutlich höhere Netto-Umsätze verzeichnen. Also her mit der Frauenquote fürs Bruttosozialprodukt? Leider nein, haben dieselben Studien festgestellt. Wer gezwungenermaßen weibliche Führungskräfte holt, der nimmt nicht die Qualifizierteste, sondern die, die gerade da ist. Und das ist kontraproduktiv.

Wenn also Unternehmen weibliche Führungskräfte suchen, aber die Zahl der Frauen in Führungspositionen kaum steigt, liegt das wirklich nur an männlichen Seilschaften oder der gläsernen Decke?

Ich war ehrgeizig, durchsetzungsstark und emanzipiert. Bis ich Mutter wurde. Mein Job beim ARD-“Morgenmagazin“ samt Nachtdiensten war nicht familienkompatibel, und Mann und Sohn machten mir klar: „Moma“ isch over.

Hat mein Mann darüber nachgedacht, für die Familie kürzer zu treten? Nein. Habe ich darüber nachgedacht, ihn darum zu bitten? Auch nein. Nicht eine Sekunde. Ich kann noch nicht von alten Rollenmustern lassen und tue mich schwer mit dem Modell Hausmann. Wobei mein Mann als moderner Vater selbstverständlich gewickelt hat – die vollsten Buxen waren Männersache. Er beschwert sich nicht, wenn er über mehrere Tage Kind und Haushalt schmeißen muss, und die Einzige, die ihm das nicht zutraut und mit Kontrollanrufen nervt, bin ich.

Ich habe nachgegeben und den „Moma“-Job an den Nagel gehängt. Denn bei zwei Karriereeltern im Vollgas-Modus, bleibt irgendwer auf der Strecke. Außerdem war ich weniger ehrgeizig geworden. Wichtige Dinge fand ich plötzlich relativ unwichtig, meine Ellbogen waren eingefahren, und ein Lob vom Chef hatte im Vergleich zum Lächeln meines Sohnes enorm an Wert verloren. Das muss nicht allen so gehen, ich möchte keiner Frau ein schlechtes Gewissen machen. Nur ich konnte und wollte nicht alles gleichzeitig. Und ich kenne einige hochkarätige Akademikerinnen, denen es ähnlich geht: Sie haben ihre Karriere bis 35 geradlinig verfolgt und dann den Top-Job ausgeschlagen. Den hat quasi der Ehemann bekommen, denn meist heiraten Frauen einen Mann, der ihrem Bildungsgrad entspricht oder darüber liegt.

Kind und Job ist kein Thema mehr, in vielen Familien ist das eine finanzielle Notwendigkeit. Aber Kind und aufreibende Karriere, gar eine Führungsposition, das ist immer noch selten. Mütter von kleinen Kindern arbeiten oft halbtags, und zwar freiwillig. Für den familiären Frieden ist das prima, für die Gesellschaft ein herber Verlust. Da glänzen Frauen mit Einser-Abitur und Spitzenabschluss und stehen dem Arbeitsmarkt für höhere Weihen ab Mitte 30 nicht mehr zur Verfügung. Sehr ärgerlich für ein Land, das nur die Ressource Mensch hat.

Wie wäre es, wenn man die späte Karriere gesellschaftlich etwas befeuern würde? Eine Frau, die zehn Jahre halbtags gearbeitet hat, kommt für eine Führungsposition kaum in Betracht. Warum nicht? Wer Elternabende übersteht, dessen kommunikative Kompetenz ist auf Höchstniveau.

100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts sind wir weitgehend gleichberechtigt. Aber gleich werden wir nie sein. Die Universität Göteborg hat Daten von 130.000 Studienteilnehmern aus 22 Ländern ausgewertet. Paradox: Je ausgeprägter die Gleichberechtigung in einem Land, desto eher folgen Frauen und Männer den klassischen Geschlechterrollen – so gesehen reicht es mit der Emanzipation in Deutschland!

Zum Internationalen Frauentag haben wir einen Themenschwerpunkt. Hier kommen Sie zu weiteren Beiträgen.

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