Neonazi-Terror Angeblich neue Bekennervideos aufgetaucht

Karlsruhe/Berlin · Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) haben einem Medienbericht zufolge zwei weitere Bekennervideos der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle entdeckt. Spezialisten des BKA sei es gelungen, den Inhalt einer Festplatte zu rekonstruieren, obwohl der Computer bei dem Brand im Haus des Neonazi-Trios Anfang November erheblich beschädigt worden war. Inzwischen ist der vierte Verdächtige in U-Haft.

 Ein Karlsruher Richter hat Untersuchungshaft gegen den mutmaßlichen Unterstützter der Zwickauer Neonazi-Zelle angeordnet.

Ein Karlsruher Richter hat Untersuchungshaft gegen den mutmaßlichen Unterstützter der Zwickauer Neonazi-Zelle angeordnet.

Foto: dpa, Uwe Anspach

Die Ermittler stufen die Filme demnach als "Vorläufer" des bereits bekannten "Paulchen-Panther"-Terrorvideos ein, das aus dem Jahr 2007 stammt, berichtete die "Bild"-Zeitung am Dienstag.

Nach Zeitungs-Informationen aus Sicherheitskreisen heißt es in einem der beiden Videos: "Unsere Taten sprechen für sich." Laut den Ermittlern belegen die offenbar auf "technisch hohem Niveau" gemachten Videos, dass die Zwickauer Terrorzelle ihre Taten von Anfang an als terroristische Mordserie geplant haben.

Matthias D. in Untersuchungshaft

Inzwischen sitzen vier mutmaßliche Unterstützer der Zwickauer Neonazi-Zelle sitzen inzwischen im Gefängnis: Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe ordnete am Montag Untersuchungshaft gegen den 36-jährigen Matthias D. an, der am Sonntag in Sachsen festgenommen worden war. Das teilte die Bundesanwaltschaft am Abend mit.

Sie wirft ihm vor, für die Mitglieder der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) zwei Wohnungen in Zwickau angemietet und deren Verbrechen "zumindest billigend in Kauf genommen" zu haben. Die NSU mit ihren drei mutmaßlichen Mitgliedern Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe soll für bundesweit zehn Morde verantwortlich sein.

Abwehrzentrum soll zum Wochenende eröffnet werden

Bei ihren Ermittlungen hat die Bundesanwaltschaft inzwischen rund ein Dutzend Personen im Blick. "Ein Teil davon sind Beschuldigte", sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft auf dapd-Anfrage. Ein Verdächtiger wird zum Beschuldigten, wenn gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren betrieben wird.

Unterdessen wollen Bund und Länder nach ihrem Beschluss zur Einrichtung eines "Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus" (GAR) keine Zeit verlieren. Bereits am Freitag und damit nur eine Woche nach der Entscheidung der Innenministerkonferenz soll das Zentrum in Berlin eröffnet werden, wie das Bundesinnenministerium mitteilte. Die Länder beteiligen sich an dem Zentrum.

Die Einrichtung soll den Angaben zufolge Bedrohungen aus dem Rechtsextremismus besser beurteilen und operative Maßnahmen wie Festnahmen erleichtern.

Ministerin besteht auf Abzug von V-Leuten aus NPD-Vorstand

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach sich unterdessen dafür aus, die Zusammenarbeit mit V-Leuten aus dem Vorstand der rechtsextremen NPD zu beenden. Es sei wohl unstrittig, "dass wir keine V-Leute in den Vorständen haben dürfen, wenn wir an ein NPD-Verbotsverfahren herangehen", sagte die FDP-Politikerin in Berlin.

Einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", nach dem derzeit mehr als 130 V-Leute des Verfassungsschutzes in der NPD aktiv sind, konnte Leutheusser-Schnarrenberger nicht bestätigen.
Dazu habe sie keine Informationen.

Verbindungen zwischen NPD und NSU

Trotz gegenteiliger Beteuerungen seitens der NPD gibt es offenbar doch Berührungspunkte mit der späteren NSU, teilte die Berliner "taz" (Dienstagausgabe) laut Vorabbericht mit. Demnach demonstrierte der neue NPD-Chef Holger Apfel vor 15 Jahren in Worms gemeinsam mit den späteren mutmaßlichen Rechtsterroristen Beate Zschäpe und Uwe Mundlos. Das belegten Fotos von der Demonstration, die dem Blatt vorlägen.

Nach dem Aufmarsch am 17. August 1996 zum neunten Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß habe sich Apfel als Anführer später vor Gericht verantworten müssen, schreibt die "taz". Der vor einem Monat ins Amt gewählte NPD-Chef hatte sich vom NSU und dessen Taten distanziert. "Wir sehen weder ideell noch politisch den geringsten Berührungspunkt mit den Schwerverbrechern aus Zwickau", sagte er der Zeitung zufolge im sächsischen Landtag.

Untersuchungsausschuss zum Neonazi-Terror

Unterdessen will die Grünen-Fraktion im Bundestag einen Untersuchungsausschuss zum rechtsextremen Terrorismus durchsetzen und dazu am Dienstag den Entwurf für einen Untersuchungsauftrag beschließen, wie Fraktionschefin Renate Künast am Montag der Nachrichtenagentur dapd sagte. Der Vorschlag werde dann umgehend den anderen Fraktionen zugeleitet.

Bereits in der vergangenen Woche hatte sich Linke-Fraktionschef Gregor Gysi schriftlich an die anderen im Bundestag vertretenen Parteien gewandt. Er hatte zu einem gemeinsamen Untersuchungsausschuss aufgerufen, der die Vorfälle um die Zwickauer Neonazi-Terrorzelle aufklären soll.

Am vergangenen Freitag hatten sich die Innenminister von Bund und Ländern einmütig für einen neuerlichen Anlauf zu einem NPD-Verbot ausgesprochen. Auf ihrer Konferenz in Wiesbaden beschlossen sie, ein neues Verfahren konkret zu prüfen. Wegen der hohen verfassungsrechtlichen Hürden müssten "die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen" aber genau abgewogen und bewertet werden, heißt es in dem einstimmig gefassten Beschluss.

(APD)
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