Schloss Ehreshoven im Bergischen Land Altersheim für arme katholische Adelige

Ehreshoven · Auf einem prächtigen Schloss im Bergischen Land können Baroninnen, Gräfinnen und Prinzessinnen ihren Lebensabend verbringen. Um aufgenommen zu werden, müssen sie adlig sein, ledig, katholisch – und arm.

Auf einem prächtigen Schloss im Bergischen Land können Baroninnen, Gräfinnen und Prinzessinnen ihren Lebensabend verbringen. Um aufgenommen zu werden, müssen sie adlig sein, ledig, katholisch — und arm.

Die Sonne scheint, aber es ist immerhin Oktober, als die Gräfinnen Annemarie Beissel von Gymnich (79) und Ina von Schaesberg (87) ein Bad unter freiem Himmel zu nehmen geruhen. Gräfin Beissel ist in einen blauen Bademantel gehüllt, Schaesberg in einen weißen. Ist die Bekleidung nicht zu leicht? "Keine Sorge", sagt Beissel. "Ich hab' noch einen Badeanzug drunter an." So rustikal geht es zu im Altenheim für Adelige auf Schloss Ehreshoven bei Köln.

Forschen Schrittes durchqueren die beiden Damen den Barockgarten. Es ist keineswegs ein Pool, den sie ansteuern — etwas so Neumodisches gibt es hier nicht —, nein, sie streben dem Springbrunnen entgegen. Dort angekommen, streifen sie flugs die Bademäntel ab, und Gräfin Beissel wirft ein Thermometer ins Wasser. Zehn Grad! Wollen die da jetzt wirklich reinsteigen? "Ja, natürlich, wir steigen rein. Springen tun wir nicht, dazu ist es zu flach."

Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, gleiten die Damen ins Wasser und drehen ihre Runden wie zwei Goldfische. "Echt angenehm", versichert Gräfin Beissel. Sie hat einen leichten holländischen Akzent: Die Tochter eines Teebarons wurde noch zu Zeiten von Niederländisch-Indien auf Bali geboren.

Es gibt viele exotische Biografien im Altenheim für Adelige. Oben in ihrem Zimmer unterm Dach sitzt zur gleichen Stunde Gabriele Gräfin von Deym. Sie ist vergesslich geworden mit ihren 89 Jahren, aber sie kann sich noch genau an die Weihnachtsabende auf dem schlesischen Märchenschloss Koppitz erinnern. Die Lichterflut, der Duft angesengter Tannenzweige. Auf der Kommode steht noch ein Jugendbildnis von ihr, sie muss da ungefähr 16 gewesen sein. Eine zarte Frau im Abendkleid. "Das war kornblumenblau."

An einer langen Tafel sitzen Gräfinnen, Baroninnen und sogar eine Prinzessin. Männer sind nicht zugelassen. Katholische Damen. Dementsprechend beginnt das Mahl mit einem Tischgebet. Anschließend wird fast schweigend der Hauptgang verzehrt. Ist das Besteck echtes Tafelsilber? "Natürlich, dachten Sie, wir essen hier vom Blech?" Nach dem Dessert bittet Adelheid von der Schulenburg im Salon zum Mokka. "Möchte jemand einen Schnaps?" — "Ja!" Das war Ruth Baronin Geyr von Schweppenburg, nunmehr im 97. Lebensjahr stehend. Auch andere belieben zuzugreifen. Flaumige Röte auf Altjungfernwangen.

Adelheid von der Schulenburg ist die Äbtissin des Damenstifts, wie sich das Heim offiziell nennt. Es geht zurück auf die letzte Eigentümerin des Schlosses, Marie-Elisabeth Gräfin von Nesselrode, die das Anwesen bei ihrem Tod 1920 der Rheinischen Ritterschaft vermachte, einem Zusammenschluss rheinischer Adeliger. Ihre Bedingung: Das Schloss sollte fortan als Alterssitz für "adelige, ledige, katholische und bedürftige Damen" genutzt werden.

Bedürftig? Frau von der Schulenburg nickt. Keineswegs sei Adel gleichbedeutend mit Luxus. Viele Familien aus dem Osten hätten im Krieg alles verloren. Dann gibt es die kinderreichen Familien, in denen das soundsovielte Geschwisterkind nicht mehr viel abbekam.

Marie-Aluisie Prinzessin von Schönaich-Carolath (85) würde zwar nie darüber sprechen, aber sie muss reich gewesen sein. Ihr Großvater hatte zehn Schlösser. Sechs wurden enteignet, vier zerstört. Später war sie so mittellos, dass sie als Untermieterin in Mülheim an der Ruhr lebte. "Mülheim an der Ruhr", wiederholt die Dame mit dem weißen Haar. Im Grunde könne sie ja froh sein, sagt sie, dass sie die zehn Schlösser nicht geerbt habe. Zehn Schlösser würden heute selbst die reichste Sippe ruinieren. Auch Ehreshoven verschlingt jedes Jahr große Summen. Jörg Deselaers kann ein Lied davon singen. Er ist der Manager des Schlosses, oder wie man hier sagt: Kurator. Neben der Forstwirtschaft, dem traditionellen Haupterwerbszweig, hat er neue Einnahmequellen erschlossen.

Mit großer Selbstverständlichkeit bewegen sich die Damen zwischen jahrhundertealten Möbeln, Gemälden und Waffen. Nicht immer geht das unfallfrei ab. So kann sich Deselaers noch an einen Sonntagabend erinnern, als eines der "Mädels" — wie er sie nennt — oben den Badeanzug auswaschen wollte, dann aber vom "Tatort" dermaßen gefesselt wurde, dass der laufende Wasserhahn in Vergessenheit geriet. An jenem Abend erhielt das Wort "Wasserschloss" eine neue Bedeutung.

Ihre Einsamkeit bekämpft Prinzessin Schönaich damit, an einem kleinen Tisch Patiencen zu legen. Von den Wänden schauen ihre Ahnen auf sie herab. Das 20. Jahrhundert ist in Form eines Fernsehers vertreten. Und das 21.? "Gleich kommt meine Internet-Lehrerin."

(dpa)
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