20 Jahre nach den Krawallen gegen Ausländer Als es in Rostock-Lichtenhagen brannte

Rostock · 20 Jahre ist es her, als die Bilder aus Rostock-Lichtenhagen um die Welt gingen. 20 Jahre seit den schlimmsten Ausschreitungen gegen Ausländer, die die Bundesrepublik erlebt hatte. Und auch heute noch ist bei vielen Betroffenen die Erinnerung an jene Tage und Nächte hellwach.

Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992: Ein Ort der Gewalt
11 Bilder

Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992: Ein Ort der Gewalt

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Es war am 22. August 1992, als sich rund 3000 Menschen vor dem Sonnenblumenhaus, einem Plattenbau mit entsprechender Bemalung, versammelten. Dort war die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber eingerichtet — und diese völlig überfüllt. Die Folge: die Menschen campierten unter freiem Himmel und die Anwohner waren verärgert.

An jenem Augusttag wurden Scheiben des Hauses eingeworfen, an den Tagen darauf verschlimmerte sich die Lage. Die nebenan lebenden Vietnamesen wurden nach der Räumung der Anlaufstelle Ziel des Mobs. Rechtsradikale warfen Brandbomben, die umstehenden Menschen sahen tatenlos zu, manche applaudierten. Die Polizei selbst war völlig überfordert. In letzter Minute konnten sich rund 150 Menschen vor den Flammen aufs Dach retten. Das es keine Toten gab damals, ist fast schon ein Wunder.

Die Sonnenblumen-Bemalung gibt es noch heute

Heute erinnert äußerlich nichts mehr an jene Tage und Nächte, die Rostock zum Symbol von Ausländerfeindlichkeit machen sollten. Das Haus und die Umgebung ist saniert. Die Sonnenblumen-Bemalung allerdings gibt es immer noch. Deutsche und Ausländer leben zusammen in dem Haus. Von damals will kaum einer der Anwohner noch etwas hören.

"Die Menschen hier haben genug von dem ganzen Medienrummel zum 20. Jahrestag", sagt ein Rentner. "Stattdessen sollten lieber die Hintergründe der Randale aufgearbeitet werden." Und Rainer Fabian von der Kolping-Initiative sagt: "Nur etwa ein Drittel der heutigen Bewohner hat 1992 hier gelebt." Viele seien genauso entsetzt über den Mob gewesen, "aber seit Jahren müssen sie sich rechtfertigen".

Für diejenigen aber, die damals jene Tage miterlebt haben, ist die Erinnerung noch immer wach. So wie für Ngyen Van Hang. Der 56-Jährige ist einer der Vietnamesen, die damals beinahe in den Flammen ums Leben gekommen wären. Der "Süddeutschen Zeitung" sagte er, er erinnere sich noch an die "Sieg Heil"-Rufe und an viel Feuer. Inzwischen sei in Lichtenhagen wieder alles normal — und offenbar lebt er noch immer in dem Haus.

Überlebt hat die Ausschreitungen auch Viet Phan Do — im Bauch seiner Mutter. Die hochschwangere Frau war damals ebenfalls aufs Dach geflüchtet. Als Viet Phan Do 18 Jahre alt war, sagte sie ihm, er solle "Lichtenhagen" mal im Internet eingeben, schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Als er die Bilder gesehen habe, sei für ihn eine Welt zusammengebrochen, denn bis dahin habe er nie etwas von Fremdenhass mitbekommen. "Ich habe Mutti gefragt: Was ist das denn hier? Kannst du mir das mal erklären", zitiert ihn die Zeitung.

"Wir hatten Angst um unser Leben"

"Ich verstehe bis heute nicht, was damals passiert ist", sagt Thomas Laun, Polizeipräsident des Präsidiums Rostock der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". 1991 kam er aus dem Rheinland nach Rostock, brach seinen Urlaub wegen der Krawalle ab. Heute sagt er, die Polizei sei auf solche Einsätze nicht vorbereitet gewesen. Eine Polizei im Wandel, die Probleme hatte, den Respekt der Bevölkerung aufrecht zu erhalten. "Wir sind der Verantwortung, die wir hatten, nicht gerecht geworden", sagt er der Zeitung.

Und auch Michael Ebert, damals 22-jähriger Gruppenführer einer Hundertschaft, kann sich noch genau an jene Tage erinnern. "Wir hatten Angst um unser Leben", sagt er, der unvorbereitet in das Geschehen hineingeriet. Auch er sagt, die neu aufgebaute Polizei habe damals noch in den Kinderschuhen gesteckt.

Einer, der damals mit den Vietnamesen in dem brennenden Haus eingeschlossen war, war der damalige Ausländerbeauftragte der Stadt, Wolfgang Richter. "Das werde ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen", sagt er. Er schwor sich, wenn er dort rauskommen werde, müsse er alles dafür tun, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Vergessen jedenfalls sind die Krawalle jener Tage nicht. Die Bilder von damals haben sich in den Köpfen vieler eingebrannt. Die Stadt Rostock versucht nun alles, um zu zeigen, dass sich dort seitdem etwas geändert hat. Viele glauben, dass sich so etwas nicht noch einmal wieder holen könnte.

Doch die Erinnerung an die Ausschreitungen soll wach gehalten werden. Und so wird am Wochenende mit Demonstrationen, Ausstellungen und Podiumsdiskussionen in den kommenden Tagen daran erinnert. "Die Stadt entschuldigt sich bei allen Opfern der Anschläge. So etwas darf nie wieder geschehen", sagt denn auch die Stellvertreterin des Oberbürgermeisters, Liane Melzer.

mit Agenturmaterial

(das)
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