An Ort von NSU-Anschlag Aktion gegen Islamisierung sorgt für Empörung

Köln/Berlin · Mit Empörung haben Politiker von SPD und Grünen auf die Verteilung von Postkarten der umstrittenen "Vermisst"-Aktion des Bundesinnenministeriums in der Kölner Keupstraße reagiert.

 An der Keupstraße war 2004 ein Anschlag verübt worden.

An der Keupstraße war 2004 ein Anschlag verübt worden.

Foto: dapd, Henning Kaiser

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur Neonazi-Mordserie, Sebastian Edathy (SPD), sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Mittwoch, die Verteilaktion in der Keupstraße sei "hochgradig unsensibel". Die "missglückte Kampagne" am Tatort eines der Neonazi-Anschläge umzusetzen, sei "nicht nachvollziehbar".

In der überwiegend von Türkischstämmigen bewohnten Keupstraße in Köln-Mülheim waren im Juni 2004 bei der Explosion einer Nagelbombe 22 Menschen verletzt worden. Der Anschlag wird der Neonazi-Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) zugeschrieben. Berichten zufolge waren Postkarten der "Vermisst"-Aktion des Innenministeriums gegen die islamistische Radikalisierung Jugendlicher zuletzt auch in der Keupstraße verteilt worden.

Muslimische Verbände hätten in den vergangenen Wochen wiederholt kritisiert, dass durch die "Vermisst"-Kampagne Muslime unter Generalverdacht gestellt würden. Eine Aktion mit Großplakaten im Zuge der umstrittenen Kampagne war in der vergangenen Woche vorläufig gestoppt worden. Die Plakate und Postkarten zeigen Bilder junger Menschen, darunter eine Frau mit Kopftuch, die als "vermisst" bezeichnet werden, weil sie laut einem Begleittext in Gefahr sind, "an religiöse Fanatiker und Terrorgruppen" verloren zu gehen.

Özdemir: "Friedrich hat nichts vestanden"

Grünen-Chef Cem Özdemir wertete die Verteilaktion in der Kölner Keupstraße als Beleg, dass Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) "nichts verstanden" habe. Friedrich führe "die Öffentlichkeit an der Nase herum, wenn er ankündigt, die Plakataktion zu verschieben, aber zugleich eifrig Postkarten mit den Motiven verteilen lässt", sagte Özdemir dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Dass er das dann auch noch in der Kölner Keupstraße tut, setzt der ganzen Sache die Krone auf."

Auch der Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck forderte Friedrich auf, sich bei den Anwohnern der Keupstraße zu entschuldigen und "diese stigmatisierende Kampagne endgültig einzustampfen". Beck nannte es "eine geschmacklose Provokation, nach dem eklatanten Scheitern der Sicherheitsbehörden nun an den Orten der NSU-Morde Muslime pauschal unter Islamismusverdacht zu stellen".

Die Türkisch-Islamische Union DITIB hatte bereits am Dienstag die Verteilung der Postkarten verurteilt. In einem in Köln veröffentlichten Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte der DITIB-Vorstandsvorsitzende Ali Dere, das Bundesinnenministerium habe anscheinend "jegliche Sensibilität verloren". Zugleich bat Dere die Regierungschefin, "sich persönlich für den Stopp der Kampagne 'Vermisst' einzusetzen, die nun seit Monaten zu einer gravierenden Missstimmung in der Zusammenarbeit zwischen dem Bundesinnenministerium und den muslimischen Religionsgemeinschaften führt".

(AFP)
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