Kölner Stadtarchiv 95 Prozent der Dokumente sind gerettet

Köln (RPO). Über zweieinhalb Jahre nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs sind 95 Prozent des verschütteten Archivguts geborgen worden. Nun werden dringend Experten für die Restaurierung benötigt.

Kölner Stadtarchiv: So sieht die Einsturzstelle 2009 aus
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Kölner Stadtarchiv: So sieht die Einsturzstelle 2009 aus

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"Einen so hohen Wert hätte wohl auch der kühnste Optimist nicht erwartet", sagte Archivleiterin Bettina Schmidt-Czaia am Mittwoch in Köln. Diese gute Quote sei durch den engagierten Einsatz von rund 2.000 Helfern möglich gemacht worden. In den Tagen nach dem Einsturz hatten Beobachter noch einen Totalverlust der Archivbestände befürchtet, später war von einer Bergungsquote von 85 Prozent ausgegangen worden.

Fünf Prozent der Archivalien wurden vernichtet

Die Bergungsarbeiten an der Unglücksstelle in der Kölner Südstadt sind jetzt offiziell für beendet erklärt worden. Damit sind vermutlich fünf Prozent der ursprünglich rund 30 Regalkilometer Archivgut für immer verloren.

"Bei allem Optimismus gilt auch weiterhin der Grundsatz: Geborgen heißt nicht gerettet", stellte Bettina Schmidt-Czaia klar. Zu unterschiedlich sei der Zustand der Fundstücke: 35 Prozent seien schwerst beschädigt, etwa die Hälfte weise schwere bis mittlere Schäden auf, während 15 Prozent lediglich leicht beschädigt seien. So habe ein historisches Sammel-Glas völlig unversehrt geborgen werden können, andere Akten gebe es nur noch als Zellstoff-Fetzen, den in Fachkreisen berüchtigten "Kölner Flocken".

Nach Angaben von Schmidt-Czaia geht es nun darum, die geborgenen Kulturgüter zu sichten und zu identifizieren. Erst am Ende dieses Prozesses werde feststehen, was unwiederbringlich zerstört wurde. Die geborgenen Dokumente sind in 20 Archiven im gesamten Bundesgebiet verteilt. 20 Prozent davon wurden inzwischen erfasst. Von diesen erfassten Dokumenten konnten wiederum zunächst nur 43 Prozent auch identifiziert werden. Dabei handelte es sich unter anderem um wertvolle mittelalterliche Handschriften sowie Teile aus den Nachlässen des Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll und der bedeutenden Architekten Domenikus und Gottfried Böhm.

Fachpersonal für die Restaurierung dringend gesucht

Die Archivleiterin zeigte sich optimistisch, die Wiederherstellung der Bestände "mit 200 Restauratoren und Hilfskräften in 30 bis 50 Jahren" bewältigen zu können. Allerdings werden die Arbeiten derzeit durch Personalmangel behindert. "Wir suchen deshalb dringend weitere deutschsprachige Papier-Restauratoren", sagte Schmidt-Czaia weiter. Zuletzt hätten von 14 ausgeschriebenen Stellen nur zwei besetzen werden können.

Aus den drei deutschen Hochschulen, die diese Experten ausbildeten, kämen jährlich nur acht bis zehn Absolventen. Diese sollten für Köln gewonnen werden, denn auf sie warte in Köln eine Lebensaufgabe.

Die Kosten für die Restaurierung und Zusammenführung der Bestände bezifferte die Wissenschaftlerin mit mindestens 350 Millionen Euro. Ein hoher, aber erforderlicher Aufwand, wie Schmidt-Czaia betonte: "Wir dürfen uns heute nicht das Recht herausnehmen zu entscheiden, was für künftige Generationen bedeutsam sein mag und Archivalien, die man für verzichtbar halten mag, entsorgen." Man wisse nicht, was die Menschen im Jahr 2050 oder weit darüber hinaus bewege und was zu diesem Zeitpunkt interessant sei.

Beim Einsturz des Archivgebäudes und zweier benachbarter Wohnhäuser waren am 3. März 2009 zwei junge Männer getötet und unzählige historische Dokumente verschüttet worden. Die Ursache für das Unglück steht noch nicht fest, vermutlich gibt es aber einen Zusammenhang zu einer nahe gelegenen U-Bahn-Baustelle. Der Neubau des Kölner Stadtarchivs soll im Jahr 2015 bezogen werden.

(DAPD/sdr)
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