Studie - Eltern 2015 Deutsche Eltern so gestresst wie nie

Berlin · Viele Mütter und Väter fühlen sich unter Druck gesetzt. Als Ursache sehen sie vor allem die eigenen Ansprüche.

Wer heute Kinder großzieht, gehört nach eigenen Angaben zu der am meisten gestressten Elterngeneration. Doch Mütter und Väter machen sich den Druck überwiegend selbst - der Spagat zwischen Beruf und Familie ist weniger Ursache für die Belastungen. Das ergab eine Studie, für die das Institut Forsa im Auftrag der Zeitschrift "Eltern" rund 1000 Frauen und Männer mit Kindern bis zwölf Jahren in Deutschland befragt hat.

Unter Strom stehen die Eltern demnach vor allem, weil sie ihre Aufgaben nicht nur gut sondern perfekt erfüllen und keine falschen Entscheidungen treffen wollen: Vom Schnuller bis zum Autositz müssen Produkte für den Nachwuchs optimal sein, später sollen Tochter und Sohn die beste Tagesbetreuung, Schulbildung und einen kompetenten Kinderarzt bekommen, und sie sollen bitte keine schlechten Freunde haben. 40 Prozent der Eltern gaben an, der Druck entstehe aus den eigenen Ansprüchen, bei den Frauen sagt das sogar jede zweite.

Nur 22 Prozent der Eltern sehen die Ursachen für Druck und Hetze beim Arbeitgeber. Während bisher die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor allem für Mütter als eines der Hauptprobleme galt, zeichnet die Studie ein etwas anderes Bild. Demnach sind drei Viertel der berufstätigen Eltern mit ihrer Arbeitszeitregelung zufrieden, fast 80 Prozent sagen, sie hätten mit dem Arbeitgeber selten oder nie Probleme gehabt.

Doch 70 Prozent der Eltern gaben an, dass sie den eigenen Ansprüchen gelegentlich oder häufig nicht gerecht werden, bei den Müttern sind es sogar fast drei Viertel. Heinz Bude, Professor für Soziologie an der Uni Kassel, nennt das die "Dramatisierung des Kinderschicksals", die dazu führe, dass betroffene Eltern den selbst produzierten Stress auch nicht einfach zurückdrehen können. "Das Schicksal des Kindes wird auch von immer mehr Vätern als Gradmesser der eigenen Leistung gesehen", sagte Bude in Berlin. Seine Formel lautet: "Je weniger Kinder, desto mehr Stress machen sich die Eltern."

Und der sei auch deswegen so hoch, weil sich Eltern heute in ihren Rollen immer weniger ergänzen, sondern gemeinsam um Kompromisse ringen, sagte Bude. Die heutige "Aushandlungsfamilie", wie es der Experte nennt, sei geprägt von einem Vater, der sich mehr als früher in die Kindererziehung einbringt und von einer Mutter, die neben dem Mann nun auch berufstätig sein möchte.

Das sei wohl auch einer der Gründe, warum rund 60 Prozent der Mütter und Väter in der Studie auf die Frage "Wenn Sie die Erwartungen und Anforderungen an Eltern von heute mit denen vor 30 Jahren vergleichen - was, meinen Sie, hat sich verändert?" antworteten, dass die Erwartungen heute höher seien. Diskrepanz gibt es bei der Einschätzung der Belastung nach Geschlechtern: Während die Mehrheit der Väter glaubt, dass heute beide Seiten mehr leisten müssen, meinen zwei Drittel der Mütter, dass vor allem von Frauen mehr erwartet werde als von Männern.

Für Familienpolitiker bringt die Studie währenddessen eine ernüchternde Erkenntnis: 55 Prozent der Befragten gaben an, dass die Maßnahmen der Politik nicht zu einer Erleichterung des Alltags beitragen würden. 23 weitere Prozent sagten, das könne der Gesetzgeber gar nicht leisten. Jedoch wünschen sich mehr als 40 Prozent der Eltern mehr finanzielle Unterstützung vom Staat - und schon auf Platz zwei den Wunsch nach mehr Gelassenheit an sich selbst richten (38 Prozent).

Dass Kinder ihre Eltern aber offenbar sehr gut analysieren können, beweisen die Ergebnisse einer ergänzenden Umfrage des Marktforschungsinstituts iconkids&youth unter 700 Kindern im Alter von sechs bis zwölf Jahren. Ihre Antworten lassen darauf schließen, dass der Druck, den sich Eltern machen, für die Kinder spürbar ist. So sagten 36 Prozent der Sechs- bis Zwölfjährigen, dass ihre Eltern gestresst sind, "weil sie immer alles perfekt machen wollen". Und ebenso viele Kinder sagten, sie seien oftmals allein, weil ihre Eltern viel arbeiten würden.

Doch am Ende stellen die befragten Kinder ihren Eltern fast durchweg ein Kuschelzeugnis aus. 92 Prozent sagten, sie könnten sich keine besseren Eltern vorstellen, 91 Prozent fühlen sich bei Mama und Papa immer wohl und 85 Prozent der Kinder gaben an, dass es ihnen richtig gut gehe.

(jd)
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