Hamburg Der Dicke mit der dünnen Haut ist tot

Hamburg · Schauspieler Dieter Pfaff (65) ist im Kreise seiner Familie an einer bereits besiegt geglaubten Lungenkrebs-Erkrankung gestorben.

Otto Schatzschneider hatte immer eine Palette Irgendwas im Sonderangebot. Schwitzend und stöhnend schleppte der Polizist Kartons in die Baracke, begeisterte sich für seine absurden Geschäftsideen, verzweifelte über den meist krummen Deals und wurde von der Neben- zur Kultfigur im Büro-"Aquarium" der Serie "Der Fahnder".

Der Polizist Otto im ARD-Vorabend, mit dem 1984 die TV-Karriere Dieter Pfaffs begann, war wie so viele seiner Rollen ein Dicker mit dünner Haut. Pfaff spielte häufig die, denen die Hilflosigkeit ins Gesicht geschrieben stand, deren größte Siege oft das Überwinden der eigenen Angst waren, und aus denen es schallend hervorlachte, wenn sie den Fährnissen des Lebens ein Schnippchen geschlagen hatten. Und selbst noch, wenn er in Historien-Filmen Papst Leo X. oder Hans-Dietrich Genscher verkörperte, lugte das Kleine des Lebens aus den großen Rollen hervor.

Im vergangenen Herbst erkrankte der Raucher Pfaff an Lungenkrebs und sagte alle Film-Projekte zunächst ab. Vor wenigen Wochen fühlte er sich fit genug, wieder vor die Kamera zu treten. Es kam anders. Pfaff starb am Dienstagmorgen im Kreise seiner Familie in einer Hamburger Klinik.

Am erfolgreichsten war Dieter Pfaff wahrscheinlich in der ARD-Serie "Der Dicke" als Hamburger Kiez-Anwalt, am besten wahrscheinlich als "Seelen-Detektiv" Bloch, dessen letzte und vielleicht beste Folge die ARD in der kommenden Woche zeigt (siehe Info-Box). In der Zeitschrift "Bunte" erklärte Dieter Pfaff vor drei Jahren, er sehe einen direkten Zusammenhang zwischen seiner Leibesfülle und seiner Sensibilität: "Ich bin ein extrem gefühlsbetonter Mensch. Ich glaube auch, dass ich deshalb so dick bin. Das liegt nicht daran, dass ich so viel fresse." Sein Gewicht halte ihn von Höhenflügen ab, das Dicksein erde ihn und mache ihn am Boden fest. Aber eigentlich, so Pfaff, betrachte er sich selbst als "Luftwesen, auch wenn ich nicht so aussehe".

Was seine Rollen ausmachte, in die er sich in einem Ausmaß hinein fühlte, dass es an Hochleistungssport grenzte, kannte Pfaff aus dem eigenen Leben. Vor einigen Jahren erzählte er einer Reporterin, wie seine Oma ihn als "zarten weißblonden Jungen" mit erstaunlich tiefer Stimme beim Friseur oder beim Krämer auf den Tresen stellte und Schlager der 50er Jahre singen ließ. Und wie er das heute noch spüre: Diese Scham und diese Angst zu überwinden, sich zu präsentieren. Und die große Erleichterung im Moment des Applauses.

Und wie es ihm manchmal gelang, dem strengen Vater mit einer witzigen Bemerkung ein Lachen zu entlocken und damit die trüben Nachmittage am Küchentisch des Dortmunder Polizisten-Haushaltes zu retten. Pfaff musste da raus. Nach dem Abitur 1968 wollte er zunächst Lehrer werden; Deutsch und Geschichte. Er brach das Studium ab und wurde mit 22 Jahren Regieassistent am Dortmunder Theater. Es begann eine Karriere hinter der Kulisse: Pfaff war Autor, Regisseur, Dramaturg, schließlich sogar Professor an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz – bis es ihn zurück auf den Kramer-Tresen zog. Pfaff erschien nie ohne Gitarre zum Drehen; in den Pausen sang er Lieder von Johnny Cash.

Der dicke Polizist Otto war sein Durchbruch. Und auch eine Befreiung vom Vater, dem Pfaff es nicht recht machen wollte. Ein Jahr nach dem Abitur 1968 heiratete er Eva Maria Emminger. Mit seinen Kindern, den 1979 geborenen Zwillingen Johanna und Maximilian sowie deren Kindern, lebte das Ehepaar in Hamburg in einem Mehr-Generationen-Haus. Angst machte ihm der frühe Tod des Vaters mit 58 Jahren; lange fürchtete er, selbst nicht älter zu werden.

WDR-Intendantin Monika Piel nannte Pfaff "eine der beeindruckendsten Persönlichkeiten im deutschen Fernsehen und Film". Mit Dieter Pfaff verliere das Fernsehen eine Persönlichkeit, so der ARD-Vorsitzende und NDR-Intendant Lutz Marmor gestern in einer Würdigung: "Wahrhaftig, beharrlich, einfühlsam und von einzigartiger Präsenz: So war Dieter Pfaff als Schauspieler. Diese Eigenschaften machten ihn unverwechselbar."

(RP)
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