Auf dem Weg zu einem Nationalpark Der Brocken darf kein Wessi werden

Magdeburg (rpo). Der ewige Streit zwischen Ossis und Wessis. Jetzt liegen die Länder Sachsen-Anhalt und Niedersachsen im Clinch. Zankapfel ist der Harz.

Das Mittelgebirge ist noch immer in zwei Nationalparks geteilt und soll nun nach dem Willen der beiden Landesregierungen zusammengeführt werden. Streit gibt es über den künftigen Sitz der gemeinsamen Nationalparkverwaltung, um den sich Wernigerode im Osten und St. Andreasberg im Westen beworben haben.

Sachsen-Anhalts Umweltministerin Petra Wernicke mahnte in einem AP-Gespräch am Samstag in Magdeburg zu "Besonnenheit und Augenmaß". "Der Harz ist und bleibt eine Perle für Naturschutz und Naturtourismus. Und das muss auch so bleiben", fügte die CDU-Politikerin hinzu.

Über Jahrzehnte als Horchposten

Die Ministerin erinnerte an die Zeit der Wende in der DDR, als die Ostdeutschen nach der friedlichen Revolution auch den höchsten Harzgipfel, den Brocken, wieder in ihren Besitz nehmen konnten. Das 1.142 Meter hohe Massiv war über Jahrzehnte als Horchposten in Richtung Westen von Stasi und Sowjetarmee missbraucht worden und für die Öffentlichkeit gesperrt. Inzwischen steigen jährlich rund zwei Millionen Menschen auf den Brocken. "Für viele ist er Symbol der deutschen Einheit", so Frau Wernicke. Und jetzt hätten sie Angst, "dass der Brocken ein Wessi" werde. Auf diesen hohen Identifikationsgrad müsse bei den Verhandlungen zwischen den Politikern Rücksicht genommen werden, mahnte sie.

Im Herbst treffen sich die Landesregierungen aus Magdeburg und Hannover. Bis dahin sollen den Angaben zufolge wichtige Punkte der künftigen Einigung geklärt werden. Die Entscheidung um den Sitz der Verwaltung wurde zunächst auf einen noch nicht bekannten Termin verschoben.

Die Zusammenarbeit im Harz wird zwischen den beiden Bundesländern seit 1993 diskutiert, zunächst in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe, ab 1999 mit einem gemeinsamen Nationalparkdirektorium. Beiden Seiten ist klar, dass eine gemeinsame Imagepflege nur Nutzen bringen kann.

Der Harz in Sachsen-Anhalt bietet den Brocken, subalpine Vegetation und extreme klimatische Bedingungen, bedingt durch die atlantischen Luftmassen, die erstmals in unseren Breiten auf das Mittelgebirge prallen. In der Folge liegt die natürliche Waldgrenze bei zirka 1.100 Metern. Die urwaldähnlichen Bergfichtenwälder sind seit rund 150 Jahren von Menschenhand nahezu unberührt. Hochmoore und Felder mit Granitblöcken, Teufelskanzel und Hexenaltar auf dem Brocken, Feuersteinklippen in Schierke sowie dem Ilsestein in Ilsenburg prägen die sagenumwobene Bergwildnis.

Der westliche Teil in Niedersachsen hingegen mit seinem klassischen Mittelgebirgsklima ist durch mehrere Bundesstraßen zerschnitten und hat noch immer eine bessere Infrastruktur und bietet einen "gemütlichen Tourismus", so die Ministerin. Dafür sprechen auch die jährlichen Übernachtungszahlen, die hier bei elf Millionen liegen, wesentlich höher als im Ostteil mit nur zwei Millionen.

"Diese Unterschiede dürfen nicht ignoriert werden", mahnte Wernicke. Vielmehr könnten nach einer Zusammenlegung beide mit den Pfunden der jeweils anderen Seite wuchern. "Und wir müssen die Menschen mitnehmen, einen Kompromiss finden, der auch Symbol für das weitere Zusammenwachsen von Ost und West ist."

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