Düsseldorf Der Absturz des Charlie Sheen

Düsseldorf · Er war der bestbezahlte Serienstar der Welt, doch Drogen und Alkohol zerstörten ihn. Aus Charlie Sheen ist ein von Exzessen gezeichneter Wirrkopf geworden. Hollywoods Liste großer Suchtopfer ist um einen Namen länger.

Lange haben die Produzenten der US-Sitcom "Two and a Half Men" Charlie Sheen seine peinlichen Drogen- und Sex-Orgien durchgehen lassen. Seinen Ausraster in einem New Yorker Hotelzimmer vergangenen Oktober, als er nackt randalierte und seine Begleiterin sich im Badezimmer verschanzte. Oder seine 36-Stunden-Party in seiner Villa Anfang des Jahres, die für ihn mit der Einweisung ins Krankenhaus endete.

Doch die Dollarzeichen in den Augen der Macher bei CBS und Warner wichen vergangene Woche blankem Entsetzen. In einem Interview bezeichnete ihr lukrativstes Pferd im Stall Produzent Chuck Lorre als "giftige kleine Made" und wünschte ihm "nichts als Schmerz". Da mussten selbst die abgebrühten TV-Leute die Notbremse ziehen, um einen Rest Würde zu bewahren.

Zunächst wurde die Serie nur auf Eis gelegt, doch nach einer Reihe neuer wirrer Interviews hat die Produktionsfirma Warner Charlie Sheen gestern nun endgültig gefeuert. Sein Kommentar: "Eine sehr gute Nachricht." Er sei froh, dass er nie wieder mit "diesem Hexenmeister" (Lorre, Anm. d. Red.) arbeiten müsse. Stattdessen verdingt er sich nun mit einer kruden Internetshow namens "Sheens Korner" und erzählt der Welt, in ihm fließe Tigerblut.

Es sagt alles über den bedenklichen geistigen Zustand des Charlie Sheen, dass er sich ohne erkennbaren Grund um eine Rolle bringt, die ihm rund 1,5 Millionen Dollar pro Folge einbrachte. Sie war die einzige Konstante in einem chaotischen, dauerbenebelten Leben, das sich zwischen Hotelzimmern, Notaufnahmen und Kneipen bewegt.

Charlie Sheen war drei Mal verheiratet. Seiner Jugendliebe Kelly Preston hat er 1984 – angeblich aus Versehen – in den Arm geschossen. 1996 wurde der Schauspieler zu einer Bewährungsstrafe und Sozialstunden verurteilt, weil er seine Freundin bewusstlos geprügelt hatte. 2006 lieferte er sich mit seiner zweiten Frau Denise Richards einen geradezu lächerlich schmutzigen Scheidungs- und Sorgerechtskrieg um die zwei Töchter, in dem Sheen seiner Noch-Frau laut ihrer Aussage folgende SMS geschickt hat: "Ich hoffe, du kriegst Krebs und dein schwachsinniger Vater auch. Verrotte doch in der Hölle, du verfluchte Schlampe."

Seiner dritten Frau, Brooke Mueller, mit der er zwei kleine Söhne hat, hielt er Weihnachten 2009 ein Messer an den Hals und sagte: "Du tust gut daran, Angst zu haben. Wenn du irgendjemandem etwas erzählst, bringe ich dich um." Sheen bekannte sich der häuslichen Gewalt schuldig und kam so um eine Gefängnisstrafe herum.

Schwer zu sagen, was ihn, den Sohn der Hollywood-Legende Martin Sheen ("Apocalypse Now") so krank gemacht hat. Von einer schweren Kindheit ist nichts bekannt, auch finanzielle Sorgen hatte er nie. Seine Karriere ging gut los, 1986 spielte er im Kriegsdrama "Platoon", ein Jahr später brillierte er an der Seite von Michael Douglas im Börsenthriller "Wall Street". Vor ihm, so schien es damals, lag eine Weltkarriere als Charakterdarsteller, doch er bog mehrmals falsch ab und landete schließlich in Klamotten wie "Hot Shots" oder "Scary Movie".

Hauptgrund für seine diversen Ausraster war, dass er die meiste Zeit entweder betrunken war oder unter Drogen stand. Spricht man ihn darauf an, findet er nichts weiter dabei, im Gegenteil. "Die Leute scheinen es nicht zu kapieren. Kann ein Kerl nicht Spaß haben und trotzdem seine Arbeit machen? Alles Ärsche!", erklärte er dem Web-Portal "Radar Online" kürzlich.

Es gibt keine empirischen Daten darüber, ob es einen Zusammenhang zwischen Prominenz und Suchtgefahr gibt. Fakt ist aber, dass auffällig viele Stars mindestens einmal in ihrem Leben in einer Entzugsklinik landen. Es gehört inzwischen fast zum guten Ton, in Häusern wie "Wonderland" oder "Passages" abzusteigen, die eher an Luxushotels als an Krankenhäuser erinnern und wo der Aufenthalt monatlich bis zu 60 000 Euro kostet. Drogen- und Alkoholprobleme sind Teil des Geschäfts, sie überraschen niemanden mehr. Es ist wohl leichter, einen großen Star zu finden, der nie mit irgendeiner Suchtkrankheit in Verbindung gebracht wurde, als umgekehrt.

"Letztlich ist es bei Stars wie bei ganz normalen Menschen. Sie greifen zur Flasche, wenn sie unter starkem Stress stehen, emotional aus der Balance geraten und einen Arbeitsrhythmus haben, der gegen die innere Uhr geht", sagt Christa Merfert-Diete von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS).

Hinzu kommt, dass die Stars einen großen Teil ihrer Zeit auf Galas, Partys oder in einsamen Hotelzimmern verbringen – alles Orte, in denen es naheliegt, in welcher Form auch immer der Nüchternheit zu entfliehen.

Wann Charlie Sheen das letzte Mal wirklich nüchtern war, weiß nur er selbst. Fünf Jahre habe er mal ganz auf Alkohol verzichtet und sich zu Tode gelangweilt, sagte er vor kurzem in einem Interview. Er sei eben nur authentisch, wenn er so lebe, wie er lebe. Er könnte jäh enden wie so viele Stars zuvor, von Marilyn Monroe über Elvis Presley bis Heath Ledger: zugedröhnt und einsam.

(RP)
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