Wegen Corona-Pandemie UN-Expertin befürchtet große Hungerkrise

Berlin · Die Vereinten Nationen befürchten eine corona-bedingte Hungerkrise. Quarantäne-Auflagen und Grenzschließungen würden die Arbeit des Welternährungsprogramms bereits erschweren.

Ein Baby im Kongo wird gewogen und vermessen, um den Grad seiner Unterernährung zu ermitteln (Archivbild).

Ein Baby im Kongo wird gewogen und vermessen, um den Grad seiner Unterernährung zu ermitteln (Archivbild).

Foto: dpa/Kate Bartlett

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) rechnet mit einer großen Hungerkrise infolge der Corona-Pandemie. „Wir läuten richtig die Alarmglocken“, sagte Bettina Lüscher, Sprecherin des Berliner WFP-Büros, dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wir befürchten, dass es eine ganz große Krise wird.“ Schon bisher müsse das WFP 87 Millionen Menschen in über 80 Ländern mit Nahrungsmitteln versorgen. Dies werde durch Kriege, Klimawandel, Dürren und Fluten immer schwieriger. Nun komme die Corona-Pandemie hinzu.

Aber die Hilfe für die Menschen dürfe nicht nachlassen: „Wir sind deren lebensrettender Anker“, sagte Lüscher. Durch das Coronavirus, das fast alle afrikanischen Länder erreicht habe, entstehe vielerorts eine wirklich schlimme Gemengelage, vor allem in Gebieten mit schwacher Wirtschaft und schwachen Gesundheitssystemen. „Wir sind in einer einzigartigen Situation, die wir als weltgrößte Hilfsorganisation so noch nie angepackt haben. Das ist absolut Neuland“, sagte die WFP-Sprecherin.

Bisher hungern nach UN-Schätzungen über 820 Millionen Menschen weltweit. Allein in Ostafrika sind 15 Millionen Menschen unterernährt, im Südsudan, in Äthiopien, Somalia und Kenia. Durch die Corona-Pandemie sei zu befürchten, dass Hunger für weitere Millionen Menschen zur Realität wird, sagte Lüscher. Der Bedarf an Nahrungsmittelhilfe werde steigen.

Wegen Quarantäne-Auflagen und geschlossener Grenzen müsse das WFP mit Regierungen verhandeln, damit Ärzte, humanitäre Helfer, Hilfsgüter und Material weiter in die jeweiligen Länder und in entlegene Gebiete gelangen. „Die Transporte müssen klappen, die Lieferketten dürfen nicht abreißen, und wir müssen die Programme anpassen“, sagte Lüscher. Das WFP ist für die Versorgungslogistik der gesamten Vereinten Nationen verantwortlich.

In der Corona-Krise werde die Arbeit verändert, um große Menschenmengen zu vermeiden. „Im Südsudan verteilen wir Lebensmittel für zwei Monate statt für einen wie bisher“, sagte Lüscher. „Dort haben wir wegen Bürgerkrieg, Dürren und Überflutungen auch schon 50 Depots in besonders prekären Gebieten angelegt.“ Die einzelnen Hilfe-Empfänger würden nun zum Teil per SMS informiert, wann und wo sie Lebensmittel abholen könnten.

Als Reaktion auf die Corona-Pandemie will das WFP laut Lüscher an strategischen Orten rund um den Globus Nahrungsmittelreserven für drei Monate anlegen. „Dafür bitten wir die Geberländer, von den für 2020 zugesagten Mitteln recht schnell 1,8 Milliarden Euro zu überweisen, damit wir für die nächste Zeit gewappnet sind.“ Wichtig sei auch, dass der Handel mit Lebensmitteln weitergeht. Wo Märkte existierten, verteile das WFP Bargeld, Gutscheine oder Debitkarten, damit die Leute Lebensmittel kaufen könnten.

(c-st/epd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort