Die Folgen des Impfstoff-Flops Warum Curevac schlechter ist als Biontech

Wuppertal · Der Tübinger Hersteller war mit großen Erwartungen gestartet. Nun räumt er ein, dass die Konkurrenten Biontech und Moderna besser sind. Für Bayer ist das verkraftbar. Das Land kann sich vorstellen, dass in Wuppertal auch andere Impfstoffe hergestellt werden.

 Curevac-Impfstoff.

Curevac-Impfstoff.

Foto: dpa/Christoph Schmidt

Am Anfang war die Euphorie groß: Das Bayer-Werk in Wuppertal sollte zu einem Zentrum der deutschen Impfstoffproduktion werden. „Wir bei Bayer werden nun einen historischen Schritt unternehmen. Erstmalig wird Bayer die Produktion von Human-Impfstoffen aufnehmen“, hatte Bayer-Chef Werner Baumann bei einem Wuppertaler Werksbesuch von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) im Februar gesagt. Und auch der setzte große Hoffnungen auf die Kooperation von Bayer und dem Impfstoffentwickler Curevac: „Nordrhein-Westfalen will zu einem Zentrum der zukunftsträchtigen mRNA-Technologie werden.“ Daraus wird nun womöglich nichts. Curevacs Impfstoff-Kandidat weist in der Zwischenstudie nur eine Wirksamkeit von 47 Prozent auf. Die Curevac-Aktie brach um über die Hälfte ein.

Warum hat der Curevac-Stoff eine so geringe Wirksamkeit? Peter Kremsner von der Uniklinik Tübingen, der die Curevac-Impfstudie leitet, sagte der Agentur Reuters: Man müsse neidlos zugestehen, dass die Konkurrenten Biontech und Moderna die besseren Impfstoffe haben. Alle drei setzen auf die mRNA-Technologie. Der Flop des Curevac-Impfstoffs sei wohl auf die geringe Dosierung zurückzuführen. Eine höhere Dosierung sei aber wegen der absehbaren Unverträglichkeiten nicht möglich gewesen, so Kremsner. So könnten Biontech und Moderna mit einer Dosis wesentlich mehr Wirkstoff geben, weil sie zuvor eine chemische Modifikation ihres Mittels vorgenommen haben. Das hat Curevac nicht gemacht, um einen Impfstoff herzustellen, der auch bei Kühlschranktemperatur lagerbar und damit einfach im Handling ist. Doch offenbar führte diese Nebenbedingung dazu, dass das Ziel, eine hohe Wirksamkeit, verfehlt wurde.

Die Fondsgesellschaft Union Investment, einer der größten Bayer-Aktionäre, sieht beim Rückschlag für die Tübinger auch hausgemachte Probleme: So sei der Curevac-Impfstoff nicht in den USA getestet worden, wo es geringe Vorkommen von Mutationen gebe, sondern überwiegend in Lateinamerika mit häufigen Vorkommen. Möglicherweise sei dies ein strategischer Fehler gewesen, sagte Fondsmanager Markus Manns unserer Redaktion. Biontech und Moderna hatten es leichter, sie wurden zugelassen, als es kaum Mutationen gab. Doch spätere Studien zeigten bei Biontech und Moderna auch hohe Wirksamkeiten gegenüber Virusvarianten.

Wie geht es weiter? Curevac will die Flinte nichts ins Korn werfen. „Wir hatten auf stärkere Ergebnisse in der Zwischenanalyse gehofft, haben aber gesehen, dass es bei dieser beispiellosen Bandbreite an Varianten eine Herausforderung darstellt, eine hohe Wirksamkeit zu erzielen“, so Curevac-Chef Franz-Werner Haas. Nun will man die Studie zu Ende führen und hofft auf eine höhere Wirksamkeit. Die Europäische Arzneimittelagentur Ema gibt Curevac auch noch nicht verloren: Um Vor- und Nachteile abwägen zu können, müsste die vollständige Studie betrachtet werden, sagte Ema-Experte Marco Cavaleri. Es müssten die Ergebnisse in verschiedenen Regionen und Altersgruppen analysiert werden. Anders als die US-Behörde will die Ema auch keine Mindestwirksamkeits-Schwelle von 50 Prozent für eine Zulassung festlegen.

Was bedeutet das für Bayer? So wie sich Biontech den US-Konzern Pfizer als Partner an Bord geholt hat, so unterstützt Bayer das Tübinger Unternehmen bei Studien, Zulassung und wenn möglich bei der Produktion. In Wuppertal rüstet Bayer eine Anlage um und sucht bereits Mitarbeiter dafür. Schon zum Jahreswechsel hoffte man auf erste Curevac-Chargen made in Wuppertal. Doch ob es dazu kommt, steht in den Sternen. Ein Curevac-Aus wäre für die Imagepflege von Bayer schlecht: Der Konzern, der immer wieder wegen der Glyphosat-Klagen in den Schlagzeilen steht, könnte Erfolgsmeldungen aus dem Pharmabereich gut gebrauchen. Rein wirtschaftlich hätte ein Curevac-Flop hingegen kaum Auswirkungen. Daher blieben auch die Bayer-Anleger gelassen. „Für Bayer ist es nicht ganz so schlimm, da die mRNA-Produktion möglicherweise auch für andere mRNA-Impfstoffe verwendet werden kann und die EU eine hohes strategisches Interesse an europäischer Impfstoff-Produktion hat“, sagte Fondsmanager Manns.

Was wird aus der Anlage in Wuppertal? Schon wird spekuliert, ob Bayer seine Anlage in Wuppertal alternativ nicht Biontech oder Moderna zur Verfügung stellen könnte. „Hierzu wäre eine Aussage noch viel zu früh“, sagte der Bayer-Sprecher. Doch die Sprecherin der Staatskanzlei erklärte: „Die Landesregierung begrüßt nachdrücklich die bereits getätigten und auch noch geplanten Investitionen der Bayer AG am Standort Wuppertal. Mit den aufgebauten Kapazitäten kann und sollte – unabhängig von dem konkreten Impfstoff – ein maßgeblicher Beitrag zur globalen Impfstoffproduktion erfolgen.“

Was wird aus der Bundesbeteiligung? Als zu Beginn der Pandemie Spekulationen hochkamen, US-Präsident Trump wolle Curevac kaufen lassen, schritt die Bundesregierung ein. Der Bund beteiligte sich über die KfW-Bank an Curevac. Nun gibt man sich wortkarg: „Das Ministerium hält für die Bundesregierung die Beteiligung an dem Unternehmen ohne jeglichen Einfluss auf das operative Geschäft“, so eine Sprecherin von Peter Altmaier (CDU). Man will an der Beteiligung festhalten. Der Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach, kritisierte: „Die Beteiligung ist nicht überzeugend ist. Die selektive Förderung eines Unternehmens geht häufig mit Wettbewerbsverzerrungen einher.“ Allerdings sollte man die Sinnhaftigkeit einer staatlichen Beteiligung auch nicht an wirtschaftlichen Erfolgen messen. „Die öffentliche Hand sollte sich nicht aus Spekulationsgründen an Unternehmen beteiligen, sondern um diesen etwa in der Krise beizustehen oder sie, wie im Falle der Impfstoffentwicklung, bei den Aufwendungen für Forschung und Entwicklung zu unterstützen.“

Was bedeutet das für die Impfkampagne? „Das ist eine große Enttäuschung und für die Impfkampagne weltweit ein Rückschlag“, sagte CDU-Europapolitiker Peter Liese. Die Ergebnisse von Curevac zeigten aber auch, dass es nicht selbstverständlich sei, „dass wir schon so kurze Zeit nach Ausbruch des Virus so viele wirksame Impfstoffe haben“. Die Europäische Union hatte sich von dem Curevac-Impfstoff bis zu 405 Millionen Dosen gesichert. Doch die Bundesregierung winkt ab. Sie hat Curevac ohnehin schon nicht mehr berücksichtigt bei ihrer Lieferplanung und setzt vor allem auf Biontech. „Mit der zu erwartenden geringen Wirksamkeit, selbst wenn sie sich bei der Endauswertung noch leicht verbessert, ist der Curevac-Impfstoff nicht einsetzbar in Deutschland“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. „Die Bürger wollen zunehmend die wirksamsten Impfstoffe von Biontech und Moderna. Curevac wird bei der Delta-Variante wahrscheinlich noch schwächer sein, somit keine Rolle mehr spielen“, betonte Lauterbach.

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