Impfstudien-Stopp in Brasilien Rückschlag bei der Forschung bringt Verstimmung
Sao Paulo · Während Nachrichten aus Deutschland und den USA die Hoffnung auf einen baldigen Corona-Impfstoff wachsen lässt, gibt es in Brasilien einen Rückschlag - und zudem viel Konfliktpotenzial.
Brasiliens oberste Behörde für Gesundheitsüberwachung hat wegen schwerwiegender Bedenken eine klinische Studie zu einem potenziellen Corona-Impfstoff aus China gestoppt. Mit Blick auf den Impfstoffkandidaten CoronaVac von der chinesischen Firma Sinovac sprach die Bundesbehörde Anvisa in der Nacht zum Dienstag von einem ernsten Vorfall, ohne Details zu nennen. Dieser habe sich am 29. Oktober ereignet. Impfungen von neuen Probanden dürften nicht mehr stattfinden.
Die Nachricht sorgte für Irritationen bei den am Projekt beteiligten Stellen. Die Regierung im Bundesstaat São Paulo warf Anvisa vor, sie nicht - wie sonst bei klinischen Tests dieser Art üblich - informiert zu haben. Stattdessen habe man aus der Presse von dem Stopp erfahren. Der Impfstoffkandidat sollte im Butantan Institut, einem staatlichen Forschungszentrum in São Paulo, produziert werden. Butantan-Chef Dimas Covas erklärte im Fernsehen, ein Studienteilnehmer sei gestorben, dies habe jedoch nichts mit dem Impfstoff zu tun. Es gebe mehr als 10.000 Studienteilnehmer. Die Entscheidung von Anvisa sei „seltsam“. Das Institut kündigte für Dienstag eine Pressekonferenz an.
CoronaVac wird in sieben brasilianischen Staaten und in dem Bundesdistrikt getestet, in dem auch die Hauptstadt Brasília liegt. Um das Mittel hat es in Brasilien bereits Diskussionen gegeben.
Der rechte Präsident Jair Bolsonaro weckte schon im Vorfeld Zweifel an der Wirksamkeit und erklärte, Brasilianer würden nicht als „Meerschweinchen“ benutzt. Bolsonaro hat immer wieder Misstrauen gegen China ausgedrückt, bereits im Wahlkampf. Der Gouverneur von São Paulo wiederum, João Doria, hat den Staatschef für dessen Kurs in der Corona-Pandemie wiederholt scharf kritisiert.
Vorübergehende Stopps bei Studien zu Medikamenten und Impfstoffen sind nicht ungewöhnlich. Pausen ermöglichen es Forschern in der Regel, etwa Krankheitsfälle unter Studienteilnehmern zu untersuchen und zu klären, ob es sich um Zufälle handelt oder ein Zusammenhang zum getesteten Stoff besteht. Im Oktober liefen etwa in den USA zwei Corona-Impfstoffstudien wieder an, die vorübergehend unterbrochen worden waren.
Unterdessen läuft das globale Rennen um einen Impfstoff weiter. Ein von der deutschen Biontech und dem US-Konzern Pfizer entwickelter Impfstoff ist ersten Forschungsdaten zufolge zu 90 Prozent wirksam gegen eine Covid-19-Erkrankung. Das teilten die Unternehmen am Montag mit. In Kürze soll in den USA die Zulassung beantragt werden.