Umweltbundesamt besorgt Treibhausgas-Ausstoß im Emissionshandel fast wieder wie vor Corona

Dessau-Roßlau · Die Corona-Pandemie hat der Wirtschaft einen ordentlichen Dämpfer verpasst – und den Ausstoß an Treibhausgasen vorübergehend gedrückt. Doch schon 2021 hat sich das Blatt wieder gewendet.

 Die Sonne geht hinter dem Kohlekraftwerk Mehrum im Landkreis Peine auf. (Symbolfoto)

Die Sonne geht hinter dem Kohlekraftwerk Mehrum im Landkreis Peine auf. (Symbolfoto)

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die im EU-Emissionshandel erfassten deutschen Fabriken und Unternehmen haben im vergangenen Jahr wieder fast genauso viel Treibhausgase ausgestoßen wie 2019 vor Beginn der Corona-Pandemie. Das geht aus einem Bericht der Deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt hervor, der am Mittwoch im sachsen-anhaltischen Dessau-Roßlau veröffentlicht wurde.

Die rund 1730 erfassten Anlagen gaben demnach rund 355 Millionen Tonnen Kohlendioxid oder vergleichbare Gase ab. Das entspricht einem Anstieg von 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr und liegt nur um etwa 8 Millionen Tonnen unter dem Niveau des Jahres 2019. Die in der Corona-Krise eingebrochene Wirtschaft hat sich inzwischen wieder ein Stück weit erholt.

„Der Wiederanstieg der Emissionen im Jahr 2021, dem zweiten Jahr der Pandemie, war erwartbar, jedoch nicht dessen Ausmaß“, erklärte der Präsident des Umweltbundesamts, Dirk Messner. Der vor der Pandemie zu beobachtende Trend zu starken Senkungen des Ausstoßes an Treibhausgasen scheine vorerst gestoppt. „Hier müssen wir entschieden gegensteuern und die schnellere Abkehr von fossilen Energien vorantreiben.“ Dies gelte umso mehr angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und dem Versuch, bei Energielieferungen unabhängiger von Russland zu werden.

Der europäische Emissionshandel soll die Treibhausgase in der gesamten EU senken. Für jede Tonne CO2, die in die Atmosphäre gelangt, brauchen die Verursacher eine Berechtigung. Diese Zertifikate können gehandelt werden. Jährlich sinkt die erlaubte Gesamtmenge, sodass Zertifikate teurer werden. Je höher der Preis, desto eher lohnt sich der Umstieg auf Technik ohne CO2, also ohne Kohle, Öl oder Gas.

In Deutschland nehmen an dem System Betreiber von großen Energieanlagen und energieintensiven Industrieanlagen sowie alle Luftfahrtunternehmen teil, die Flüge innerhalb der EU oder Kontinentalflüge von und nach Europa durchführen. In diesen Bereichen ist der Ausstoß an Treibhausgasen besonders stark gestiegen. Für Deutschland insgesamt ging das Umweltbundesamt in einer Schätzung vom März für 2021 von einem Anstieg um 4,5 Prozent aus.

Im Energiebereich stiegen die Emissionen dem Bericht zufolge 2021 erstmals seit 2013 wieder an, und zwar um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Während die Konjunktur anzog, wurde wieder mehr Stein- und Braunkohle verfeuert, weil es vergleichsweise wenig Wind für Windräder gab und die Explosion der Gaspreise den Einsatz von Kohlekraftwerken relativ lohnenswert machte.

In der energieintensiven Industrie stiegen die Emissionen um 5 Prozent, und zwar insbesondere in der Eisen- und Stahlindustrie sowie der Erzeugung von Industrie- und Baukalk.

Deutlich angezogen hat nach dem coronabedingten Einbruch die Luftfahrt und damit auch deren Ausstoß an Treibhausgasen, der um 20 Prozent zunahm.

In der EU insgesamt mit ihren 27 Mitgliedsländern, sowie in Island, Liechtenstein und Norwegen, die am Emissionshandel ebenfalls teilnehmen, wuchs der Treibhausgas-Ausstoß weniger als in Deutschland. Die EU-Kommission verzeichnete einen Zuwachs von 7 Prozent für 2021. Seit 2005 sind die Emissionen in den relevanten Wirtschaftsbereichen europaweit um rund 38 Prozent gesunken, in Deutschland um etwa 31 Prozent.

Eine Ausweitung des Emissionshandels auf die Bereiche Gebäude und Verkehr scheiterte in der vergangenen Woche zunächst im Europaparlament. Nun wird weiter über eine Reform und den Fahrplan für die weitere Minderung der Zertifikate verhandelt. Die Reform müsse ehrgeizig ausfallen, mit einer deutlichen Senkung der Obergrenzen für den Treibhausgas-Ausstoß, verlangte Jürgen Landgrebe von der Deutschen Emissionshandelsstelle. Die Einnahmen aus dem Handel könne in den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft und dessen soziale Abfederung gesteckt werden.

(chall/dpa)
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