Weniger Bewegung, mehr Bildschirm Psyche leidet laut Umfrage im zweiten Lockdown mehr
Berlin · Mehr als 70 Prozent der Menschen in Deutschland finden laut einer repräsentativen Umfrage die jetzige Situation als bedrückend. Außerdem verursacht die Pandemie bei vielen Schlafprobleme, wie bei einer weiteren Befragung herauskam.
Der zweite Lockdown schlägt deutlich mehr Menschen in Deutschland auf die Psyche als der erste vor einem Jahr. Das geht aus einer Sondererhebung des „Deutschland-Barometers Depression“ hervor, für das Mitte bis Ende Februar rund 5100 Menschen zwischen 18 und 69 Jahren repräsentativ online befragt wurden. Fast drei Viertel (71 Prozent) der Bundesbürger gaben dabei an, die Situation im zweiten Lockdown als bedrückend zu empfinden. Im Vergleich dazu waren es im Frühjahr 2020 weniger als zwei Drittel (59 Prozent) der Befragten, heißt es in der Erhebung, die von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutsche Bahn Stiftung in Auftrag gegeben wurde. Der erste Lockdown begann am 22. März 2020 und wurde bereits von Ende April an nach und nach aufgehoben.
Fast die Hälfte (46 Prozent) der Bundesbürger erlebt seine Mitmenschen nach der Umfrage inzwischen auch als rücksichtsloser als im Frühjahr 2020 (40 Prozent).
Für Psychiater Ulrich Hegerl, Vorstandschef der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, sind diese Ergebnisse Ausdruck einer allgemeinen Demoralisierung der Bevölkerung. „Die Menschen bewegen sich nicht mehr, sie nehmen zu, liegen länger im Bett und schlafen dann nachts schlecht“, sagt er. „Sie sitzen noch länger vor Bildschirmen. Das ist alles nichts, was einen aufbaut. Dazu kommen ganz normale psychische Reaktionen wie berufliche Sorgen, Ängste und häusliche Konflikte.“
Hegerl geht aber nicht davon aus, dass sich die Zahl der Depressiven durch den langen Lockdown massenhaft erhöht. „Allein die Wahrnehmung, dass das Leben gerade bitter ist, führt noch nicht zu einer Depression“, betont er. „Darauf reagieren Menschen mit Angst, Sorge und Verzweiflung. Dies sind zwar leidvolle, aber nicht krankhafte menschliche Reaktionen.“ Habe ein Mensch jedoch eine Veranlagung zu einer Depression, könne durch die Maßnahmen gegen Corona eine depressive Krankheitsphase getriggert werden.
Das „Deutschland-Barometer Depression“ erhebt seit 2017 repräsentative Daten zur psychischen Gesundheit in der Bevölkerung. Die gesamte Sondererhebung soll am Dienstagvormittag veröffentlicht werden.
Außerdem leidet jeder fünfte Mensch in Deutschland aktuell pandemiebedingt unter Schlafstörungen. Das geht aus einer Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) hervor. Danach berichteten rund 20 Prozent der Befragten von Schlafproblemen, die sie auf die Corona-Krise zurückführten.
Eltern mit Kindern unter zwölf Jahren leiden den Angaben zufolge noch mehr unter diesem Problem als Befragte ohne oder mit älteren Kindern. Rund 30 Prozent der befragten Eltern mit kleinen Kindern hätten angegeben, dass ihnen die Pandemie den Schlaf raube, so die Krankenkasse.
Mit der Umstellung auf Sommerzeit komme am Wochenende (Sonntag, 28. März) eine weitere Herausforderung für den Schlafrhythmus hinzu. Jeder dritte Umfrageteilnehmer berichte von Problemen, morgens in den Tagen nach der Umstellung aufzustehen. Besonders häufig wirke sich die Umstellung negativ auf Schlafverhalten und Wohlempfinden bei Frauen aus. Ein Ende der halbjährlichen Zeitumstellung auf europäischer Ebene ist derzeit nicht in Sicht.
Das Marktforschungsinstitut Forsa hatte im Auftrag der KKH 1004 Personen im Alter von 18 bis 70 Jahren im März 2021 repräsentativ befragt.