Trend aus den USA Paartherapie per App

Washington · In den USA bieten spezielle Programme jetzt auch Eheberatung und Konfliktlösung per Smartphone an. Manche mit einem recht soliden Ansatz.

 Bei vielen Paaren hilft am Ende nur eine Paartherapie.

Bei vielen Paaren hilft am Ende nur eine Paartherapie.

Foto: Shutterstock/fizkes

Es ist der nächste logische Schritt: Nachdem sich One-Night-Stands und Langzeitpartner per App finden lassen und die Hochzeit darüber organisiert wird, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch Beziehungsprobleme per Smartphone gelöst oder gleich vermieden werden können. In den USA lassen sich immer mehr Paare darauf ein, was sich allein an der Anzahl der diversen Beziehungs-Angebote in den dortigen App-Stores zeigt. Hier wetteifern „Lasting“, „My love“ und „Love Nudge for Couples“ mit „Relationship Trackern“ um Downloads; will „Honeydue: Best Money App” das Beziehungsproblem Nummer eins (Geld) in den Griff bekommen, verspricht „Fix a Fight“, der beste Friedensstifter am Smartphone zu sein.

Manche dieser Apps, wie beispielsweise der „Beziehungs-Tracker“, sind eher aufgehübschte Kalender, die lediglich helfen, nie wieder den Hochzeitstag zu vergessen oder das Datum des ersten Kennenlernens; manche sind eher erweiterte Ortungsfunktionen; andere sind Sex-Ratgeber und Paar-Horoskope oder solche, die lediglich mit Beziehungs-Zitaten zum „Happily Ever After“ beitragen wollen; oder sie bieten eine aufwendig designte Oberfläche, auf der Paare Fotos, Liebesschwüre und Erinnerungen teilen können.

 Einige der neuen Beziehungs-Apps sind allerdings wesentlich komplexer und sehen sich im Segment der echten Paartherapie. Sie sind von Therapeuten konzipiert und haben auch einen verhältnismäßig hohen Preis, den eine wachsende Community aber tatsächlich zu zahlen bereit ist. Über eine Million User haben beispielsweise bereits die 2017 gelaunchte App „Lasting“ in den USA heruntergeladen, über 15.000 Paare haben nach Betreiber-Angaben das Monats-Abo für knapp zwölf Dollar (gut zehn Euro) abgeschlossen. Dafür bekommen sie Online-Beziehungshilfe, die von Paartherapeutin Liz Colizza nach der Gottman-Methode entwickelt wurde und Paare dort erreicht, wo viele eh die meiste Zeit verbringen: an ihrem Smartphone.

Entwickelt wurde die App von Steve Dziedzic, der lange Zeit für die Hochzeitsplanungs-Seite „The Knot“ arbeitete. Und zunehmend davon frustriert war, dass sich über 50 Prozent der Paare, die mit Hilfe der in den USA legendären Seite ihre Hochzeit inszeniert hatten, im Endeffekt wieder scheiden lassen. Ein Frust, mit dem er offensichtlich nicht allein war, denn als er seinem Arbeitgeber mitteilte, dass er sich mit „Lasting“ selbstständig machen wolle, bot man ihm an, die App doch lieber gleich unter dem Dach von „The Knot“ anzubieten – schließlich sei dort auch jene Zielgruppe zu finden, an die sich Lasting wendet: Paare, die ihrer Beziehung dauerhaft zum Erfolg verhelfen wollen.

Dass die Idee einer Beziehungs-App viel Potenzial für Spötter hat, war den Entwicklern von Anfang an klar. Allerdings hat Colizza, die Dziedzic kurz zu Beginn für die inhaltliche Entwicklung anheuerte, für derartige Abfälligkeiten nicht viel übrig. „Mit einer App lassen sich die beiden größten Hürden in Sachen Paartherapie überwinden, und das sind Geld und die räumliche Entfernung zu einem Therapeuten“, unterstreicht sie den Ansatz des Konzepts. Außerdem wisse ihr Klientel die Unparteilichkeit einer App zu schätzen, die es vielen Usern leichter mache, sich zu öffnen.

Zwar werden genaue Zahlen aus Datenschutzgründen nicht herausgegeben, „ein Großteil unserer User ist aber zwischen 25 und 35 und gehört damit der Millennial-Generation an“, verrät Colizza. „Was uns immer wieder den Vorwurf einbringt, wir würden dieser Generation jetzt auch noch ermöglichen, sogar ihre Beziehungen am Smartphone zu führen. Aber man bringt sie eh nicht von den Screens weg, warum also sollte man diese dann nicht nutzen, um ihnen Unterstützung für erfolgreiche Beziehungen anzubieten?“

Eine Sichtweise, der auch andere Therapeuten zustimmen – allerdings mit Einschränkungen. So weist die Psychotherapeutin Marni Feuerman darauf hin, dass gut gemachte Apps zwar durchaus dazu beitragen können, Diskussionen über Themen anzustoßen, die sonst vermieden werden, und Strukturen für diese Gespräche schaffen. Allerdings trügen sie auch dazu bei, dass Paare damit noch mehr Zeit am Bildschirm verbringen, und könnten natürlich bei tiefer gehenden Problemen keine Paartherapie oder Eheberatung ersetzen.

Der Anfang zu einer besseren Kommunikation in der Beziehung kann mit den seriöseren Apps durchaus gemacht werden. Konkret funktioniert „Lasting“ so, dass nach dem Abschluss des Abos zunächst ein ausführlicher Fragebogen beantwortet wird, der die Lebenssituation und die Zufriedenheit in allen Lebensbereichen abfragt. Die Liste ist lang und reicht von der Kommunikation über die Erziehung und das Intimleben bis zum Umgang mit den Finanzen und den Schwiegerfamilien; außerdem gibt es eigene Bereiche zu speziellen Themen wie etwa dem Umgang mit chronischen Krankheiten oder Fernbeziehungen.

Danach wird per Algorithmus ermittelt, wo es in der Beziehung am ehesten hakt, und zu diesem Thema werden dann wahlweise sieben oder 14 sogenannte Sessions angeboten – Inhalte, die konkrete Ratschläge zu dem Thema vermitteln, Hintergründe oder klassische Kommunikationsfehler erklären. Der Partner wird per Mail dazu eingeladen, sich ebenfalls damit auseinanderzusetzen, und erhält eine Nachricht, wenn der oder die andere eine „Session“ beendet (sprich: einen Text gelesen) hat. Wobei das Ziel naturgemäß darin liegt, dass die Paare später ganz analog miteinander über das Gelesene sprechen.

Allein die Erkenntnis, dass man mit einem bestimmten Problem nicht allein ist, sondern viele Paare ebenfalls damit zu kämpfen haben, liefere hier häufig schon ein Aha-Erlebnis, das dazu führe, wieder miteinander zu reden, sagt die Therapeutin. Erziehung und Sex sind Themen, die viel gelesen und diskutiert würden. Dabei erweist sich die Anonymität der App als besonders hilfreich. „Es ist für viele unangenehm, darüber zu sprechen, und eine App bietet da einen geschützten Rahmen“, weiß Colizza aus User-Feedback.

Neben dem Content, der ständig erweitert wird, sorgen auch konkrete Aufforderungen dafür, den Usern Hilfestellung in Sachen Beziehung zu geben – was vor allem von den männlichen Usern geschätzt wird. „Männer wollen häufig, dass man ihnen einfach sagt, was sie tun sollen und wann – während Frauen Wert darauf legen, dass sich alles ganz natürlich anfühlt“, sagt Colizza.

Weshalb die App auch keine vorgefertigten „Ich liebe Dich“-Posts zum Weiterleiten anbietet, aber sehr wohl Erinnerungen mit inhaltlichen Vorschlägen. „Dazu gehört beispielsweise, den Partner aufmerksam danach zu fragen, was er heute brauchen könnte, Zuneigung auszudrücken oder eine liebevolle Nachricht zu schicken“, führt die Therapeutin an. Sie alle sollen die Partner dazu motivieren, einander das zu geben, was online wie offline oft am meisten vermisst wird.

Was das ist? Zwei Dinge: Aufmerksamkeit und Zeit.

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