Thomas Mertens im Porträt Ein Ruheständler als Chef der Stiko

Berlin · Thomas Mertens ist der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission. Der 71-Jährige ist eigentlich schon im Ruhestand – ein Zustand, der ihm nach eigener Aussage Vorteile bringt. Die seit Monaten große Aufmerksamkeit für die Stiko und seine Person hat ihn gewundert.

 „Es ist für die Stiko durchaus von Vorteil, dass ich Pensionär bin“: Thomas Mertens.

„Es ist für die Stiko durchaus von Vorteil, dass ich Pensionär bin“: Thomas Mertens.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Nur wenige Menschen sind während der Pandemie so in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt wie Thomas Mertens. Wenn der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko) zuletzt die Empfehlungen zur Anwendung von Corona-Impfungen vorstellte, war dem Ulmer Virologen bundesweite Aufmerksamkeit gewiss. „Die große mediale Aufmerksamkeit für die Stiko und auch für meine Person habe ich so nicht erwartet“, sagt Mertens im Rückblick. Darüber habe er sich aber auch keine Gedanken gemacht, als er 2004 Mitglied der Expertenrunde wurde.

Seit 2017 ist der 71-Jährige Vorsitzender der Stiko. Vor der Pandemie konnte die Impfkommission noch in aller Ruhe tagen. Mittlerweile kann es gar nicht schnell genug gehen. Für Mertens ist das „durchaus problematisch“. Sie müssten viel Literatur auswerten, Daten aufbereiten, auch Modellierungen brauchten Zeit, erklärt der ehemalige Hochschullehrer der Universität Ulm. Mehr als zwei Jahrzehnte vermittelte der Experte für Herpesviren und Virologie sein Wissen den Ulmer Studenten. Ende 2017 ging Mertens in Ruhestand, zahlreiche Ehrenämter wie das bei der Stiko beschäftigen ihn weiter.

„Es ist für die Stiko durchaus von Vorteil, dass ich Pensionär bin“ findet Mertens, der mit seiner Frau in Neu-Ulm lebt. „Ein Institutsleiter könnte das neben seinem Beruf in diesem Umfang wie ich derzeit wohl kaum schaffen.“ Trotz Ruhestands beginnen seine Tage derzeit morgens und enden erst spätabends. „Ich hatte seit meiner Pensionierung noch nie das Gefühl im Ruhestand zu sein“, drückt Mertens das aus.

Dennoch ist der Vater von vier erwachsenen Kindern bislang gut durch die Pandemie gekommen. Die Einschränkungen empfand der Virologe „nicht besonders schlimm“. Vielfach sei es sogar angenehm gewesen. Zum einen habe er als Pensionär wirtschaftlich keine Probleme, zum anderen habe er seine Effektivität steigern können. Was der Hobbymusiker Mertens aber wirklich bedauert, ist der Ausfall seiner Klarinettenstunden während des Lockdowns. Er hoffe, das könne er bald nachholen. Zuletzt fehlte dazu aber vor allem die Zeit.

Zeit seines Schaffens setzte sich Mertens für die Akzeptanz von Impfungen ein. In der Pandemie sieht der Mediziner nun die Chance, dass Menschen Impfungen wieder mehr zu schätzen lernen. Für Unmut sorgte bei dem Mann mit seinem prägnanten Rauschebart in den vergangenen Monaten dagegen, wie die Äußerungen der Stiko mitunter aufgenommen wurden. „Ob der Druck, den Medien und Politiker teilweise aufgebaut haben, immer sachlich gerechtfertigt war, daran habe ich meine Zweifel“, sagt Mertens etwa mit Blick auf die Diskussionen zur Impfpriorisierung. Dabei ist für ihn klar: „Die stufenweise Impfpriorisierung war extrem erfolgreich.“ Dadurch habe man in den Alten- und Pflegeheimen und bei anderen Menschen mit Risiken eine sehr große Zahl an Todesfällen verhindert, gibt sich der Stiko-Chef überzeugt.

(csi/dpa)
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