Ausgefallene Impfungen „Strafe für diejenigen, die nicht einmal ihren Termin absagen“

Sollten Menschen Strafzahungen leisten müssen, wenn sie ihren Impftermin nicht wahrnehmen? Vertreter von SPD und Union haben sich Forderungen danach jetzt angeschlossen.

„Es wäre richtig, wenn es eine Strafe gäbe für diejenigen, die nicht einmal ihren Termin absagen“, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der „Bild am Sonntag“ („BamS“). Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Thorsten Frei (CDU). Kritik an dem Vorschlag kam von Ärztevertretern und von der Opposition: Statt mit Bußgeldern sollte lieber mit Impfanreizen gearbeitet werden.

Die Corona-Zahlen bewegen sich weiterhin auf niedrigem Niveau. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Sonntag bei 5 (Vortag 4,9). Binnen eines Tages wurden 559 Neuinfektionen gemeldet. Vor einer Woche hatte der Wert bei 538 Ansteckungen gelegen. Eine große Mehrheit rechnet laut einer Umfrage in Deutschland allerdings im Herbst wieder mit steigenden Infektionszahlen und neuen staatlichen Beschränkungen.

Die Terminausfälle in den Impfzentren führten dazu, „dass wir langsamer impfen, als wir könnten, und dass wir Impfstoff wegwerfen müssen“, kritisierte Lauterbach. Er sei selbst Impfarzt im Impfzentrum Leverkusen und kenne das Problem ausfallender Termine. In den ARD-„Tagesthemen“ sagte er, dies sei kein Kavaliersdelikt.

Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU) sagte, Impftermine verfallen zu lassen, sei rücksichtslos und ein Schlag ins Gesicht aller, die noch auf den knappen Impfstoff warteten. „Wer nur zu bequem ist, zum Hörer zu greifen oder mit wenigen Klicks einen Termin abzusagen, sollte für die angefallenen Ausfallkosten aufkommen müssen.“

Der Präsident des Berliner Roten Kreuzes (DRK), Mario Czaja, hatte die Debatte angestoßen und Bußgelder von 25 bis 30 Euro vorgeschlagen. Seinen Angaben zufolge werden in Berliner Impfzentren inzwischen fünf bis zehn Prozent der Termine nicht wahrgenommen.

Vermutet wird, dass Menschen Termine verstreichen lassen, weil sie im Urlaub sind, weil sie die Corona-Gefahr als nicht mehr so hoch einschätzen oder weil sie inzwischen einen früheren Termin bei einem Betriebsarzt oder in einer Praxis bekommen haben.

Kritisch zum Bußgeld-Vorschlag äußerte sich der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen. „Mit Bußen wird keine Akzeptanz gefördert. Solidarisches Verhalten kann man zudem nicht mit Strafen erzwingen“, sagte er der „BamS“. Ähnlich sieht das die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus. Das Drohen mit einer Strafzahlung werde Menschen eher von einer Impfung abschrecken, sagte sie am Sonntag. Es gehe vielmehr darum, noch Unentschlossene zu überzeugen. „Das geht mit mobilen Impfteams, die in der Fläche Menschen wohnortnah aufklären und impfen. Und mit Impfanreizen.“

Einen solchen Weg will das DRK in Sachsen gehen: Nach Angaben eines Sprechers wird an einem Bonussystem gearbeitet, um die Impfbereitschaft hochzuhalten. Wer ins Impfzentrum kommt, soll Rabatte für Dienstleistungen oder Produkte bekommen. Details seien aber noch offen. Sachsen bietet mittlerweile auch spontanes Impfen ohne Termin an. Auf Kreisebene gibt es solche Angebote auch in anderen Bundesländern. Niedersachsen hatte angekündigt, dass voraussichtlich ab kommender Woche ohne Wartelisten geimpft werde.

Nach monatelanger Impfstoff-Knappheit ist nach Einschätzung der Bundesregierung inzwischen eine neue Phase erreicht: Das Angebot beginnt die Nachfrage zu übersteigen. Die Regierung hatte deshalb auch ihr Impfversprechen, wonach jeder, der wolle, bis Ende des Sommers ein Impfangebot bekommen könne, zuletzt auf Ende Juli vorgezogen.

 Eine Frau bekommt ihre erste Corona-Impfung (Symbolfoto).

Eine Frau bekommt ihre erste Corona-Impfung (Symbolfoto).

Foto: dpa/Moritz Frankenberg

Mit Blick auf den Herbst sind die Bürger allerdings skeptisch, was die Corona-Lage in Deutschland angeht. Trotz fortschreitender Impfkampagne rechnen 76 Prozent mit steigenden Infektionszahlen und 74 Prozent gehen von einer erneuten Verschärfung der Maßnahmen gegen die Pandemie aus. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur.

(hebu/dpa)
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