Angepasste Impfstoffe und Alternativen Welches Mittel kann die Corona-Infektion verhindern?

Düsseldorf · Ein Ziel verfehlen bisher alle zugelassenen Impfstoffe gegen Covid-19: den Schutz vor einer Infektion. Der Bundesgesundheitsminister machte Hoffnung, das es solche Vakzinen demnächst geben könnte. Ein Blick auf mögliche Kandidaten und alternative Optionen.

 Entwickelt immer neue Varianten: das Coronavirus im Elektronenmikroskop.

Entwickelt immer neue Varianten: das Coronavirus im Elektronenmikroskop.

Foto: dpa/Niaid-Rml

Haben Sie jemals Röteln gehabt? Oder Mumps, Masern, Wundstarrkrampf? Wenn Sie diese Frage mit „Nein“ beantworten können, hat vermutlich bei Ihnen die entsprechende (meist in Kindertagen erfolgte) Impfung ihr Ziel erreicht. Das Immunsystem war dann derart gut vorbereitet, dass es den Eintritt oder die Vermehrung der Erreger verhindern beziehungsweise im Keim ersticken konnte. Den Schutz sowohl vor einer Erkrankung als auch der Infektion nennen Fachleute „sterile Immunität“. Sie ist das höchste und oft unerreichte Ziel einer jeden Impfung. Das wissen wir nicht erst seit Sars-Cov-2. Auch Krankheiten wie Masern oder Windpocken können bei Geimpften auftreten, dann aber stets in sehr abgeschwächter Form.

Die grassierenden Omikron-Varianten des Coronavirus zeigen es uns aktuell besonders eindrucksvoll: Keiner der bisher zugelassenen Corona-Impfstoffe kann in der Regel die Infektion und einen Ausbruch von Covid-19 verhindern. Alle Vakzinen schützen aber in den allermeisten Fällen vor einem schweren Krankheitsverlauf.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach machte nun Hoffnung auf mehr: Er rechne in absehbarer Zeit mit Impfstoffen, die eine Ansteckung mit dem Coronavirus unterbinden, sagte er Mitte Juni bei einer Pressekonferenz in Berlin. Solche „adaptierten Impfstoffe", so Lauterbach, könnten „in den nächsten Monaten, vielleicht im nächsten halben Jahr oder in einem Jahr kommen“. Dann würde Covid-19 zu einer Krankheit wie jede andere Infektionskrankheit. Der Bundesgesundheitsminister gilt nicht als notorischer Optimist, der leichtfertig gute Nachrichten verbreitet. Dürfen wir uns also ernsthafte Hoffnung machen?

In der Tat arbeiten die Hersteller mit Hochdruck an den Corona-Impfstoffen der zweiten Generation. Oberstes Ziel der angepassten Vakzinen ist eine erhöhte Wirksamkeit gegen die Omikron-Varianten. Biontech und Moderna etwa forschen sowohl an einem monovalenten Impfstoff gegen Omikron als auch an kombinierten Vakzinen, die gegen mehrere Varianten wirksam sind. Die EU-Arzneimittelbehörde Ema hat mit der Prüfung eines an die Omikron-Variante angepassten Corona-Impfstoffes von Moderna und von Biontech/Pfizer begonnen. Wann alle Daten gesichtet und diese neuen Impfstoffe zugelassen werden, ist noch offen, Experten rechnen damit spätestens bis zum Herbst.

Ob die neuen Impfstoffe aber nachhaltig Infektionen verhindern können, muss sich zeigen. Das zentrale Problem sind und bleiben die Mutationen. Sars-Cov-2 hat uns seine Wandelbarkeit schon mehrfach gezeigt. Und die bleibt unberechenbar. Mit jeder neuen Variante erhöht sich auch das Risiko, dass sich eine Eigenschaft durchsetzt, die der Wirkung der Impfstoffe entgehen kann. Auch Omikron gilt bereits als sogenannte Flucht-Variante, die die menschliche Immunantwort ein Stück weit umgehen kann. Dies ist einer der Hauptgründe, warum die aktuellen Corona-Impfstoffe nur eingeschränkt wirken.

Die Masernimpfung ist zum Beispiel deshalb so effektiv und nachhaltig wirksam, weil Masernviren genetisch äußerst stabil sind und extrem selten mutieren. Das Gegenbeispiel sind Influenzaviren: Sie neigen stark zu Mutationen, mit dem Ergebnis, das Jahr für Jahr ein neuer Grippeimpfstoff entwickelt werden muss. Coronaviren sind zwar nicht außergewöhnlich mutationsfreudig. Aber dass ein und dieselbe Variante jahrelang unverändert bleibt, ist nach den bisherigen Erfahrungen in der Pandemie eher unwahrscheinlich.

Hoffnung auf eine mögliche sterile Immunität machen daher eher andere Forschungsprojekte: Ein Team um die Virologin Ulrike Protzer vom Institut für Virologie der Technischen Universität München und Johannes Buchner vom Lehrstuhl für Biotechnologie der TUM arbeitet zum Beispiel daran, das Virus am Zelleintritt zu hindern. Das Prinzip funktioniert so: Das Coronavirus muss für den erfolgreichen Eintritt in die Wirtszelle mit seinem Spike-Protein an das menschliche ACE2-Protein binden. Die Forscher haben nun dieses Andock-Protein minimal verändert und mit dem Teil eines menschlichen Antikörper-Proteins verbunden. In Zellkulturversuchen konnten sie mit diesem ACE2-Fusions-Protein das Virus komplett neutralisieren und eine Infektion verhindern. Diese Strategie hat einen entscheidenden Vorteil: Weil Sars-Cov-2 die Bindung an das ACE2-Protein zwingend zum Überleben braucht, kann es ihm auch nicht durch Mutationen ausweichen, wie dies etwa bei Antikörpertherapien oder den Impfungen der Fall ist.

Ein anderer Ort, an dem Substanzen Sars-Cov-2 frühzeitig ausbremsen könnten, ist der Nasen-Rachenraum. Dort tritt das Virus in den Körper ein, die Viruslast ist daher besonders in der frühen Phase der Erkrankung hier entsprechend hoch. Über erfolgreiche Studien mit seinem Heuschnupfenmittel Pollival berichtete der Saarbrücker Pharmahersteller Ursapharm. Hauptbestandteil dieses Sprays ist das Antihistaminikum Azelastin. Es blockiert allergische Reaktionen und die auslösenden Faktoren. In Versuchen mit Coronaviren konnte nach Unternehmensberichten Azelastin die Virenlast deutlich senken – Ursapharm spricht von einer Virenreduktion um 97 Prozent. Auch bei der aktuell dominanten Omikron-Variante zeige das Spray eine hohe Wirksamkeit, so der Hersteller.

Die Ergebnisse sind zwar vielversprechend, allerdings vorsichtig zu bewerten. Es handelt sich hier zunächst um Beobachtungen aus Vorstudien und Versuche in Zellkulturen. Die Ergebnisse müssen noch in klinischen Studien bestätigt werden.

Fazit: Eine Weile werden wir noch mit den bisher bewährten Schutz-Maßnahmen und Impfstoffen zurecht kommen müssen. Vor allem Angehörigen von Risikogruppen rät die Ständige Impfkommission, nicht abzuwarten, sondern die aktuell verfügbaren Impfstoffe jetzt als Schutz vor der nächsten Pandemiewelle zu nutzen.

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