Streit um Corona-Gesetzgebung SPD und FDP kritisieren Sonderrechte für Gesundheitsminister Spahn

Berlin · Bundesgesundheitsminister Spahn soll über März 2021 hinaus besondere Vollmachten im Kampf gegen Corona erhalten. Das Vorhaben stößt bei Fraktionen im Parlament auf Widerstand.

 Plenarsitzung des Deutschen Bundestages (Archiv).

Plenarsitzung des Deutschen Bundestages (Archiv).

Foto: dpa/Britta Pedersen

Vertreter der Bundestagsfraktionen von SPD und FDP haben das Vorhaben der Bundesregierung kritisiert, im Eilverfahren die Sonderrechte für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der Corona-Bekämpfung über den 31. März 2021 hinaus zu verlängern.

FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle sagte: „Nachdem der Bundestag der Bundesregierung im März dieses Jahres zeitlich befristet besondere Rechte zur Bekämpfung der Corona-Pandemie eingeräumt hat, will das Bundesgesundheits­ministerium diese nun dauerhaft festschreiben.“ Dieser Schritt wäre eine dauerhafte Kompetenzverschiebung von der Legislative zur Bundesregierung. „Das darf ein selbstbewusstes Parlament nicht mit sich machen lassen“, so Kuhle. Er rief Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble dazu auf, auf Spahn einzuwirken, „damit das Parlament an den Entscheidungen in der Corona-Krise stärker beteiligt wird“.

Dem Vernehmen nach hatte die Bundesregierung damit geplant, das Vorhaben an diesem Montag zwischen den Ministerien soweit voranzubringen, dass es am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden kann. Laut Entwurf, der unserer Redaktion vorliegt, sollen Spahn weitgehende Befugnisse eingeräumt werden. So darf er eigenmächtig Verordnungen erlassen, soweit dies „zum Schutz der Bevölkerung vor einer Gefährdung durch schwerwiegende übertragbare Krankheiten erforderlich ist“. Allerdings soll der Bundestag entsprechende Verordnungen auch abändern und aufheben können. Der Minister kann nach diesem Vorschlag nach eigenem Ermessen den internationalen und nationalen Reiseverkehr kontrollieren. Auch für Flug- und Seehäfen kann er Vorschriften erlassen, wenn die Infektionslage es erfordert. Zugleich sollen alle Bürger unentgeltlichen Zugang zu möglichen Impfstoffen erhalten.

Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagte: „Die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zeigen, dass die Verordnungsermächtigungen für die Exekutive zu unbestimmt sind, insbesondere wenn es um die Einschränkung von Grundrechten geht.“ Nur wenn Corona-Schutzmaßnahmen rechtssicher seien und vor Gerichten Bestand hätten, habe die Bevölkerung Vertrauen in diese Entscheidungen.

Kritik gibt es auch an der fehlenden Einbindung der Parlamente. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki hat daher vor negativen Folgen für die Demokratie gewarnt, sollten wesentliche Entscheidungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie nicht vom Bundestag, sondern weiter von Regierungen in Bund und Ländern getroffen werden. „Wenn wir als Parlament unsere Aufgabe jetzt nicht wahrnehmen, dann hat die Demokratie einen dauerhaften Schaden. Es ist die Aufgabe des Parlaments, wesentliche Entscheidungen zu treffen, und nicht die Aufgabe von Regierungsmitgliedern“, sagte Kubicki am Sonntagabend im „Bild“-Talk „Die richtigen Fragen“.

Der stellvertretende FDP-Chef kritisierte zugleich den Appell von Bundeskanzlerin Angela Merkel an die Bürger, mehr Disziplin in der Corona-Krise zu zeigen. „Ich bitte Sie: Verzichten Sie auf jede Reise, die nicht wirklich zwingend notwendig ist, auf jede Feier, die nicht wirklich zwingend notwendig ist. Bitte bleiben Sie, wenn immer möglich, zu Hause, an Ihrem Wohnort“, hatte sich die CDU-Politikerin am Samstag in ihrer wöchentlichen Videobotschaft mahnend an die Bürger gewandt.

Kubicki bezeichnete dies als „Verzweiflungstat“ und Aufforderung zum „freiwilligen Lockdown“. „Die Bundeskanzlerin ist nicht diejenige, die einfach anordnen kann, wie wir uns verhalten sollen. Jeder, der das Gefühl hat, er müsse diesen Worten folgen, soll das tun. Aber jeder, der das Gefühl hat, er kann auch anders weiterleben, sollte dies auch tun“, betonte Kubicki.

Verkehrsminister Andreas Scheuer nahm dagegen die Kanzlerin in Schutz. „Die Kanzlerin hat einen Appell formuliert, jetzt vernünftig zu sein. Nicht mehr und nicht weniger“, sagte der CSU-Politiker im „Bild“-Talk. Merkel wolle keinen zweiten Lockdown, die Corona-Entwicklung treibe sie „fachlich“ und „emotional“ um.

(jd/may-)
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