Inzidenzwerte in NRW steigen Weitere Schulöffnung trotz steigender Corona-Zahlen

Düsseldorf · Die Corona-Zahlen steigen weiter. Dennoch werden wieder mehr Schüler in die Schulen geholt. Schutzauflagen, Selbsttests und Impfungen sollen für Sicherheit sorgen. Dabei gibt es Sorgen und Widerspruch.

 Auch Schüler weiterführender Schulen müssen jetzt wieder die Schulbank drücken.

Auch Schüler weiterführender Schulen müssen jetzt wieder die Schulbank drücken.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Trotz deutlich steigender Infektionszahlen hat Nordrhein-Westfalen die Schüler weiterer Klassenstufen zum Unterricht in die Schulen zurückgeholt. Seit Montag wird an den weiterführenden Schulen auch für die Schüler der Klassenstufen 5 bis 10 wieder in einer eingeschränkten Form in den Klassenräumen unterrichtet. Um die Zahl der Kontakte zu begrenzen, sind die Klassen und Kurse in der Regel in zwei Gruppen geteilt. In den übrigen zwei Wochen bis zu den Osterferien sollen so alle Schüler im Wechsel von Präsenzunterricht in der Schule und Distanzunterricht zu Hause lernen. Selbsttests für Schüler und Impfangebote an Lehrer sollen mehr Sicherheit bieten.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wirft Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) eine riskanten Schlingerkurs vor. Die Landesregierung habe ihre Hausaufgaben angesichts der dritten Welle der Corona-Infektionen nicht gemacht, erklärte GEW-Landeschefin Maike Finnern am Montag. Obwohl die Tests für Schüler bisher bei einer Ankündigung blieben, obwohl die Landesregierung zeitnahe Impfungen aller Beschäftigten an Schulen bislang verweigere, würden alle Schüler und Lehrkräfte in den beiden Wochen bis zu den Osterferien wieder zu Präsenzunterricht verpflichtet. „Jetzt für zehn Schultage wieder mit allen zu beginnen, birgt die Gefahr, dass Infektionen ausbrechen und in die Familien getragen werden“, verdeutlichte sie.

Die wichtige Kennziffer der Neuinfektionen je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen ist in NRW auf 81,2 gestiegen, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Montag mitteilte. Vor einer Woche lag der Wert bei 65,8 und am Vortag bei 78,9. Inzwischen sind bereits wieder 14 Kreisfreie Städte und Kreise in NRW über der Marke von 100, darunter auch die Millionenstadt Köln. Vier weitere Kommunen sind mit Werten von über 90 nicht sehr weit entfernt. Die Länderchefs hatten bei ihrem Anfang März aufgestellten Fahrplan für Öffnungsschritte auch eine Notbremse eingebaut. Dabei ist die Sieben-Tage-Inzidenz von 100 der Wert, ab dem in einem Bundesland ab einer gewissen Zeit wieder die strengen Regeln greifen können, die bis zum 7. März gegolten haben.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert einen Schulstopp bis Ostern. „Ich appelliere an die Länder, alle Schulen bis Ostern wieder zu schließen, auch die Grundschulen“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Montag) mit Verweis auf die Virusvariationen, die sich „insbesondere bei den Jüngeren rasant ausbreiten“. Die erneute Schließung von Schulen könne nur abgewendet werden, wenn Schüler zweimal pro Woche getestet würden. Schulen, die dies noch nicht vorbereitet haben, sollten geschlossen werden. „Es war ein Fehler, die Schulen ohne flächendeckend funktionierende Testabläufe zu öffnen. Bis Ostern sollten Lehrer und anderes Schulpersonal darin trainiert werden, die Schüler an allen Schulen an den Schnelltests anzuleiten.“

Neben dem Kreis Düren ist auch der Oberbergische Kreis bei der Landesregierung wegen der weiteren Schulöffnung in Zeiten steigender Corona-Infektionen vorstellig geworden. Die Schulleitungen der Oberbergischen Gymnasien hätten sich in einem Schreiben an Landrat Jochen Hagt (CDU) besorgt geäußert anlässlich des weiteren Öffnungsschrittes am Montag und angefragt, ob der Präsenzunterricht der Stufen fünf bis zehn vor den Osterferien weiter ausgesetzt werden kann, wie eine Sprecherin des Oberbergischen Kreises sagte. Das Gesundheitsministerium habe dazu mitgeteilt, eine Aussetzung des nächsten Öffnungsschrittes für den Schulbereich nicht mitzutragen.

Schulschließungen oder Einschränkungen des Schulbetriebs - auch bei einer Sieben-Tage-Inzidenz über 100 - könnten erst als letztes, unausweichliches Mittel der Pandemiebekämpfung in Betracht kommen, hieß es von Ministeriumsseite laut Kreis. An den derzeit geplanten Öffnungsschritten mit einem eingeschränkten Wechselunterricht werde festgehalten. Der Kreis Düren hatte in der vergangenen Woche einen Antrag gestellt, den weiteren Öffnungsschritt an den Schulen wegen der gestiegenen Zahlen bei den Corona-Neuinfektionen bis zu den Osterferien auszusetzen. Den Antrag lehnt das Schulministerium ab.

Nach Ansicht der Landeselternschaft der Gymnasien bleibt das Thema Schule in der Corona-Pandemie „ein Ritt auf der Rasierklinge“. „Es ist verständlich, wenn Eltern in Regionen mit einer hohen Inzidenz Bedenken haben, ihr Kind in die Schule zu schicken“, erklärte Vorstand Franz-Josef Kahlen. Die Lage werde mit den steigenden Neuinfektionen wieder kritischer, während sich an den Schulen in Sachen Gesundheitsschutz kaum etwas getan habe. „Der Schritt in den Präsenzunterricht am Montag läuft nicht parallel mit neuen, zusätzlichen Schutzmaßnahmen, die seit langer Zeit gefordert werden.“

Die weiterführenden Schulen sollen ab Dienstag die ersten von 1,8 Millionen Selbsttests erhalten, die bis zu den Osterferien verteilt werden. Die Schüler und Schülerinnen können sich dann laut Schulministerium einmal pro Woche freiwillig selbst unter Aufsicht in der Schule testen. In Bergisch Gladbach soll schon am Montag vor den anderen Kommunen die Verteilung von Spucktests an Schüler beginnen. Nach Ansicht der GEW fehlten bei den Selbsttests für Schüler bisher klare Regeln: „Es drängen sich zig Fragen auf: wer schult wen für die Beaufsichtigung der Tests und wie geht man mit Material für die Tests um? Was passiert, wenn ein Test positiv ausfällt?“, zählte Finnern auf. Eine durchdachte Teststrategie sei das nicht, betonte sie.

(th/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort